Saarkalender für das Jahr 1926
Ich bitte Euch nochmals, seyd nicht halsstarrig, nicht widerspenstig, verrichtet das, was
Euch aufgelegt iſt ohne den geringsten Zeitverluſt und ohne Murren und Verdruß. Fangt
damit gleich nach Empfang dieses an. Eure Arbeit iſt Euch unpartheyiſch zugewießen.
Sie iſt nicht übermäßig stark, wie Ihr aus der Anlage sehen werdet. In Zeit von 10—H12
Tagen, wenn Jhr gehörig ladet, könnt Ihr damit fertig ſeyn. Versichert Euch davon, daß
ein jeder unter Euch, der Fuhr-Vieh hat, (die Kühe ausgenommen), sein Antheil richtig
führe, dadurch, daß Ihr läglich demselben einen rechtschaffenen Mann zugebt, der alle
Beyfuhren von einem jeden einzelnen Bürger gewissenhaft notiere, damit im unverhofften
Fall die anzuwenden, nöthig befunden werdende Zwangsmittel nicht die unschuldige ~
sondern nur diejenigen treffen, die sich boshafterweiſe zurückzuziehen gedenken. Ihr
werdet auch die Einrichtung treffen, daß einer jeden Fuhre, je nachdem ſie beſpannt iſt,
zum auf- und abladen und ein auch zwey Handfröhnender, nöthigenfalls mit Hauen und
Schippen verſehen, mitgegeben werden.
Hat übrigens einer oder der andere unter Euch gegründete Ursachen, warum er in
diesem Augenblick das ihm zur Laſt liegende Theil nicht wirklich beiführen kann, so wende
er sich an mich; ich werde alsdann jederzeit, ſofern es möglich iſt, Ihn bey unsern Obern
zu vertreten und honligiren ſuchen.
Ich grüße Euch herzlich!
Ein Beitrag zur Batanik des Banargedbiets.
Von Karl Unbewäihrt.
Dem saarländischen Forſchungsgeiſt iſt es gelungen, eine neue Pflanze zu entdecken. Es
iſt nun dem ,saarländiſchen“ Geiste vorbehalten geblieben, der Botanik dieſen unverkenn-
baren Dienst zu leiſten, denn diese ,saarländiſche“ Pflanze iſt mit deutschem Gelehrten-
geiſte noch nicht in Berührung gekommen.
Der botanische Name für die Pflanze iſt noch nicht gefunden. Sie hat vorläuſig den
merkwürdigen Namen „B ef äh i g un g“. Im Streit um den Namen hoird hie von
Kennern auch „Be wäh r un g“ genannt. Wie gesagt, der botaniſche Name liegt noch
nicht feſt. Nach ihren Lebensbedingungen iſt der Name „Bewährung“ zweiſellos der rich-
tigere. Da diese Bewährungspflanze eine auffallende Aehnlichkeit mit der Herbſizeillose
hat, gehört sie zu der Klasse der „C o Ich i c e a e“. Wie diese, blüht auch sie zu einer merk-
würdigen Zeit. Die Blätter dieser Pflanze kamen zuerſt zum Vorschein und haben wegen
ihrer Form, noch mehr aber ob ihres Verhaltens nicht wenig Bewunderung und Staunen
hervorgerufen. Sie stellen in ihrer Geſamtheit gewissermaßen einen Mantel dar, der sich
fîtets nach dem Winde dreht. Blätter und Blüten haben die bei Pslanzen sonst noch nie
beobachtete Eigenschaft, nicht nach dem Lichte zu streben. Sie wenden sich daher der im
Oſten aufgehenden Sonne von vornherein ab und neigen nach Weſten. Wenn der Wetter-
mantel seine Dienste getan und seine Zwecke im Reiche der Natur erfüllt hat, dann wird
er von der Pflanze abgelegt. Einige Zeit später, wenn alle sonst bekannten Blumen des
deutschen Mutterbodens verwelkt oder zertreten am Boden liegen, dann erscheint die Blüte
der Bewährungspflanze. Sie kommt in den Farbenſpielarten vor: Blau, weiß und rot.
Ein Feld solcher Blumen bietet einen herzerhebenden Anblick für ein echt ,„ſaarländisches“
Auge. Im besonderen bei feuchtwarmem Weſtwinde entfalten die Blüten eine Farben-
pracht, die das Auge eines deutſchen Bewohners des Saargebiets eigenartig berührt. Die
allerdings übel riechenden Blüten stehen auf hohen Stengeln und haben den offenſtehen-
den Kelch nach Westen gerichtet. Ein irrender Wandersmann kann sie alſo getroſt als
Kompaß benutzen. Die Bewährungspflanze zeigt ihm den Weg nach Westen an und er
kann jede gewünſchte Himmelsrichtung danach beſtimmen. Gleich der Herbſlzeitloſe iſt das
neue Pflänzchen eine Giftpflanze. Wenn auch ſchon festſteht, daß sie ihre Verwandte an
Giftigkeit weit übertrifft, so iſt das Gift noch nicht genau analysiert. Die Sachverſtcindigen
glauben aber, daß man ſich bei den Forſchungen über dieſen Punkt noch auf allerlei Ueber-
raſchungen gefaßt machen kann. Entsprechend dem aus den jetzigen Zeilumſtänden ge-
borenen Hang zum Myſtiſchen glauben viele daran, daß das präparierte Gift der Pflanze
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