Full text: 4.1926 (0004)

Saarkalender für das Jahr 1926 
einst ſo glücklichen Landes. Vergeblich arbeitete die Regierungs-Kommission mit Hoch- 
druck gegen die Feier; das durch ſoviel Leid geſtählte Saarvolk ließ jedoch jede 
Drohung kalt. Noch nie hat. das ganze Saartal in ſolch überwältigendem Schmuck 
geſtrahlt, noch nie hat es sich in ſo ſieghafter, wunderbarer Weiſe ein ewiges Ruhmes- 
zeugnis dafür ausgestellt, welche Liebe, Treue und Kraft in ihm lebt. Man konnte 
ſich der Tränen nicht erwehren, mit welcher Hingebung ſelbſt die ärmsten Gassen in 
überreichem Schmuck der Fahnen, Girlanden und deutſchen Zeichen aller Art prangten. 
Alles in Tannengrün getaucht, rauſchende Fahnen überall, tauſendfache Wimpel und 
dahinwandelnd eine mit vaterländiſchen Abzeichen geſchmückte festfrohe, unzählige 
Menge. Brücken aus Stein und Eiſen können sie ſperren und zerstören, aber die Brücken, 
die geſchlagen wurden von den Herzen der Bevölkerung zu den Volksgenossen rechts 
des Rheins, können und werden sie nie ſperren und zerſtören können !‘ Das waren 
die ehernen Worte, die Paſtor Ro sch auf dem 5. Bundestag der Saarvereine in Han- 
nover ſprach, und sie werden für uns ihre Geltung behalten auf immer. Die zahlreichen 
Veranstaltungen der Bürgerſchaft, der Turner und Sportswelt verliesen in vornehmer, 
vorbildlicher Ruhe uud Ordnung. Nichts störte die Weihe der Tage. 750,000 Saar- 
länder bildeten ein Herz und eine Seele in der Sehnſucht nach dem Vaterlande. Pfarrer 
Reichard rief mit Recht unter dem stürmischen Beifall von vielen Tauſenden in ſeiner 
Ansprache im St. Johanner Walde aus : „Es wird immer zu den größten Lächerlichkeiten 
der Weltgeſchichte gehören, ein Volk, das in ſo überwältigender und eindringlicher 
Geſchloſſenheit, wie in diesen Tagen das Saarvolk, seine Liebe und Treue zur deutſchen 
Heimat ausdrückt, darüber im Jahre 1935 abstimmen zu lassen, ob es zu Deutschland 
zurückwolle. So sicher, wie zweimal zwei vier iſt, müſſen nach der in zehn Jahren er- 
folgenden Abſtimmung die Fremdlinge im deutſchen Saargebiet den Staub von den Füßen 
ſchütteln, wenn sie es nicht vorziehen, ſchon früher zu gehen." Pfr. Reichard erinnerte 
dann weiter an den folgenſchweren Betrug Clemenceau’'s auf der Pariſer Konferenz. 
Fetutaujendfaches Gelächter antwortete ihm, als er fragte : „Wo sind die 150,000 Saar- 
ranzoſen ?" 
Am Samstag um 6 Uhr begannen die Glocken aller Kirchen im Land ihr Geläut, 
das weit hinübersſchallte über die lothringiſche Grenze. Und während die Glocken ihre 
feierliche Sprache redeten, waren im St. Johanner Wald Zehntauſende verſammelt, um 
den turneriſchen Vorführungen und den Tell-Spielen auf dem Sportplatz am St. Johanner 
Waldhaus beizuwohnen. Unvergeßlich und überwältigend war der Augenblick, als die 
ungeheure Masse spontan sich zu dem Schillerſchen Schwurwort bekannte : 
„Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, 
In keiner Not uns trennen und Gefahr, 
Wir wollen frei ſein, wie die Väter waren!“ 
Und als dann langsam die Dunkelheit der Nacht sich über die hier verſammelte 
deutſche Gemeinde herniederſenkte, da ergriff Pfarrer Reichard das Wort, um, ſelbſt er- 
griffen von der Weihe dieſer Stunde, in seiner feurigen Art auszuſprechen, was die 
. Bevölkerung an der Saar für das deutſche Vaterland empfindet. Lautloſe Stille umher, 
obwohl an die 40,000 Menſchen versammelt waren. Es war ein Bekenntnis zur Wahr- 
heit, zur Gerechtigkeit, es war die Forderung der Freiheit und der Schwur zur Einig- 
keit. Wahrlich, nicht beſſer als durch dieſe Kundgebung konnte die Unwahrhaftigkeit 
der Verjailler Beſtimmungen über die für 1935 angeſetzte Volksabſtimmung an der Saar 
nachgewieſen werden ; nicht deutlicher aber auch, daß die Saargebietsbevölkerung nie 
und nimmer auch nur einen Fußbreit von ſeiner Treue zum deutſchen Vaterland ab- 
weichen wird. Es war ein Gelübde, als Pfarrer Reichard mit den Worten ſchloß : 
„Wir wollen dem Himmel, der sich über dem deutſchen Saarland wölbt, geloben, 
daß wir dereinſt mit reinem Herzen dastehen wollen, wenn der herbeigeſehnte Tag 
ê der Entſcheidung naht.“ Die Schwurhände zum Himmel, die Herzen zur Heimat, ſo klang 
durch die hereinbrechende Nacht das Deutſchlandlied durch den deutſchen Saarbrücker 
Wald, und niemand wird ſich der Wucht dieſer weihevollen Stunde jemals entziehen können. 
  
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