Full text: 4.1926 (0004)

Saarkalender für das Jahr 1926 
Das Saargebiet ſeufzt unter dem unerträglichen Drucke einer Fremdherrschaft, von der 
wir heute ſagen können, sie hat den erhabenen Gedanken der Völkerbundsidee durch ihre 
Taten erſchlagen. Wenn einſt die unbestechliche Wissenschaft Muſterbeiſpiele der Praxis 
für den großen Gedanken, der ſchon die Seele Kants bewegte, anführt, ſo wird die Ge- 
schichte dés Saargebiets unter der Treuhand des Völkerbundes eine einzige, erſchütternde 
Anklage sein, ein schwarzes Blatt französiſcher Gewalt und zugleich blinder Torheit. An 
sich iſt, wie man heute klar sieht, das Experiment von vornherein völlig verfehlt. Tas 
geiſtige Band, gemeinſame Bildung, Stammesgefühl, Raſſenempfinden zwiſchen Volk und 
Regierung, die dringendſte Notwendigkeit einer glücklichen Leitung, iſt im Saarland nichl . 
vorhanden. Eine nur durch Gewaltakt oder Zufall eingesetzte Regierung wird nur ſchwer 
das verbindende sittliche Band finden. Vollſtändig wesensfremd ſtehen sich aber bei uns 
beide Teile gegenüber, ein hoch entwickeltes, freies Volkstum und eine Regierung, die 
durch ihre Fehlgriffe längst jede Achtung in der Bevölkerung eingebüßt hat. Was hat ſie 
von der ihr gestellten Aufgabe, ein ehrlicher Treuhänder zu sein, erfüllt? Ich weiß bei 
ehrlicher und gewissenhafter Prüfung hierüber nichts nennenswertes anzuführen. Was 
hat dagegen die Völkerbundsregierung des Saargebiets geſündigt vom erſten Tage ihrer 
Kunst bis zur Stunde? Der Umfang einer Bibel würde nicht ausreichen, der Sünden Fülle 
gegen das ihm anvertraute edle Gut, das Deutschtum der Saar zu beleuchten. Der vor- 
liegende Saarkalender kann nur Streiflichter bringen, Blitzlichtaufnahmen einzelner Ver- 
gehen gegen Recht und verbriefte Freiheit. Das Gesamtbild, wie es in den verbitterten 
Herzen des Saartals fortlebt, iſt ein Schreckensgemälde, bei dem Uebermut und Haß auf 
der einen Seite sein Echo findet in der Verachtung des Volkes. Wo soll denn auch noch 
Achtung herkommen, wenn z. B. in der Eingabe über die Mißbräuche und Mißſtände in 
der Verwaltung des Saargebiets vom 10. Januar 1925 Fraktionen des Landesrats ganz 
offen wiederholt von Lug und Trug sprechen und daraufhin die Regierung + sauer rea- 
giert. Damit ist sie erledigt. Von den erſten rechtloſen Ausweisſungen bis zu der Brüs- 
kierung deutschen Volkstums bei der Jahrtauſendfeier iſt eine ununterbrochene Kette der 
Herausforderung nachweisbar. Hartem Kampf ist es gelungen, gegen manchen Stachel er- 
folgreich zu löcken auf politiſchem Gebiet, unser wirtschaftliches Leben ist in Grund und 
Boden regiert. Das iſt das Fazit der Praxis der edlen Völkerbundsidee! 
Im Dulden dürfen wir unſeren Vorfahren im Geiſte die Hand reichen, denn es war 
viel, was wir in den letzten fünf Jahren erlitten, von den Menschenjagden im Auguſt 1920 
bis zur Notverordnung und Spitzelrevolution eine Fülle von Unrecht und Bitternis, aber 
gerade sie sind es, die wie Stahl auf Stein nur Funken ſprühen lassen, heiliges Feuer, 
das uns zu Trotz und Treue begeiſtert und verbindet. Schon iſt die Welt hellhörig 
geworden ob unſferer ſseeliſchen und wirtschaftlichen Qual, will unsere Not gelindert ſehen, 
und so wird auch schließlich der Völkerbund die Stunde für gekommen erachten, sich dem 
Saargebiet gegenüber ſittlich zu rehabilitieren. 
In der Heimat fühlt und weiß es heute jeder, daß deutſches Volkstum und deutſche 
Freiheit die inneren Lebensnotwendigkeiten für das Saargebiet sind. Wer gegen dieſe 
Erkenntnis jetzt noch die Augen verſchließt, begeht eine Sünde wider den heiligen Geiſt, 
die nie vergeben wird, übt Verrat an seinem eigenen Fleiſch und Blut, das erbärmlichſte 
einer Menſchenſeele. Wessen wir uns bewußt sind im inneren Kern, sei mannhaft offen- 
bart durch furchtloſen Bekennermut an unserer rheiniſchen Feier, dem tauſendjährigen 
Verbundensein in Sage, Geschichte, Sprache und Kunſt, so geistig wie politiſch mit dem 
Vaterland und so weit die deutsche Zunge klingt. Nur der Menſch iſt verloren, der den 
Glauben an sich und den Gott in ihm aufgibt; diese Rüſtung unseres inneren Menſchen 
soll und muß ſtark sein wie ein Hammerschlag, der Felſen zerreißt. Noch nie hat auf die 
Dauer äußere Macht der Freiheit Geiſt besiegt. Und wenn die Welt voll Teufel wär', 
es muß uns doch gelingen! :
	        
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