Saarkalender für das Jahr 1926
] Kindliche Auffaſſung. Unlängst kam et.; üleiner Knirps mit einer Flaſche in der Hand in
eine Wirt chaft von Gr. F. und nerlangte jür seinen Vater 14 Liter SYHnaps. Als der Wirt ihm
die gefuilte Fuaſche zurückgab, jagte der Kleine: „Mein Vater hatt geſoht, de ſcllſcht aach d e A ü-
s e n d e r droff mache!“ Er wollte damit ausdrücken, daß der Wirt auch etwas A b sin th hinein-
tue. Lächend erfüllte der Wirt den Wunſch desselben.
Der Drückeberger. Eine Granate fiel in die Nähe des Unteroffiziers F. nieder und seit jenem
Augenblick lief dieſer Vaterlandsverteidiger mit einem Nervenschock herum. Ueberall stellte er
ſich hin, machte mit den Händen gegeneinander ein Maß und maß irgend etwas, wobei er ſtändig
murmelte: „Es langt nicht, es langt nicht!‘ Er kam ins Etappenlazarett, dann in die Heimat.
Ucberall mit der bekannten Händebewegung: „Es langt nicht, es langt nicht!‘ Man ſchleifte
ihn durch mehrere Lazarette. Sechs Kommissionen konnten ihn nicht k. v. schreiben. Schließlich
wurde er als gänzlich d. u. in die Heimat entlassen. „Es langt nicht, es langt nicht.“ Bei seiner
Mutter angekommen, sagt er zu ihr: „So jetzt langt’s!“
„Ett eß doch Ausstellung!“ Als im Sommer d. Js. in Merzig die landwirtschaftliche Ausstellung
war, war dortselbſt auch eine Rutſchbahn aufgestellt. Aus der ganzen Umgegend strömten die
Leute dorthin, namentlich viel Jungvolk. das es beſonders auf die Rutschbahn abgesehen hatte.
Auch eine hübsche Jungfrau wagte es, dieselbe zu betreten. Aber o, weh! Sie glitt aus und . . . .
machte allerlei Beinbewegungen in der Luft. Als sie wieder glücklich unten ankam, trat ein
Landjäger mit ernster Miene auf sie zu und sagte: Wie können Sie, ohne Unterhosen zu tragen,
sich auf die Rutschbahn wagen?, worauf sie ruhig und selbstbewußt antwortete: Et t e ß d o ch
Aus ſtell ung.
Dem Verdienste seine Krone. Die Wirtschaft der Franzoſen im Saargebiet iſt bekannt, die
Bevölkerung weiß nur übles zu melden, und doch haben sie einmal einen Lorbeerkranz mit
goldenen Blättern davongetragen. Dieser merkwürdige Fall soll hiermit gerechterweiſe der Ge-
schichte erhalten bleiben. Anfang Februar kehrte eine saarländische Fußballmannſchaft nach glück-
lichem Kampfe mit einem Lorbeerkranze zurück, deſſen Blätter vergoldet waren. An der Zoll-
grenze in Mettlach wurde die Siegestrophäe zunächst mit 48 Fr. Zollgebühr belegt, dann aber
abgewogen und 148 Fr. gefordert. So ungern man sich auch von drm Siegeszeichen trennte, man
ließ es in den Händen der Zöllner. Jedenfalls ist dieser Lorbeerkranz der einzige Schmuck und
die einzige, wenn auch unfreiwillige Stiftung seitens der Saarländer, deren sich die Frangoſen
ühmen können.
r hu Witzbbold im Kaſino. Ein Offizier, von großer Weisheit nicht gequält, iſt im Kreiſe seiner Kameraden
oft sehr verlegen um Withe. Er wendet ſich daher an den Mberkellner eines Hotels, der ihm verſpricht, ihm
täglich Witze zu erzählen. Alſo: Der Ober legt eine ſchöne Bohne auf den Tiſch und fragt: „Was ist das 7"
Der Offizier: „Weiß nichtl*" – ~ „B o (h) n a p a r t e !“ — Ganz entzückt über dieſe Pointe, rennt er
ins Kaſino und fordert eine Bohne in der Küche. Da gerade Bohnen nicht vorhanden ſind, läßt er ſich eine
Linſe geben, legt ſie auf den Tiſch vor ſeine Kameraden und fragt ſtolz: „Was iſt das?“ Einer der
Kameraden nach einigem Ueberlegen: „'ne Linse, was ſonſt?“ ~ ,Nee, das iſt Napoleon!“ –~ Am niächſten
Tage fragt der Ober unſeren Offizier: „Welche Biere ſchäumen am meiſten?*“. –~ ~ „Nun, die B ar b i er e !“
Abends stellt der Leutnant seinen Kameraden die gleiche Frage. Darauf Schweigen. Der Offizier: „Das
iſt doch ganz einfach, die Fr i \ e u r e !! ~ Am folgenden Tage der Ober: „Herr Leutnant, wer iſt das:
Es iſt meines Daters Sohn und doch nicht mein Bruder?“ -~ ~ ,„Uun, das bin ich selbſt!“ Der Leutnant:
„Fein, fein, fein!“ Als er dann ſpäter seinen Kameraden dieselbe Frage vorlegte, antwortete ihm einer:
„Quatſchkopf, das iſt doch ganz klar, das biſt Du ſelbſt!l“ Seelenruhig antwortet der Leutnant: „Nee,
das iſt der Ober vom ZBentralhotel!“ f
Die ſaarländiſche Schuljugend und die Iahrtauſendfeier. Wie unſere Schuljugend mit der Jahrtauſendfeier
in der Zeit der Vorbereitung lebte und webte, dafür nur zwei kleine Bekundungen, die ſich auf die
Anregung, die Gedanken über die Jahrtauſendfeier kurz ſchriftlich niederzulegen, in einer Zahl von ſ|rei-
willig gelieferten Abfaſſunaen widerspiegeln: ;
F orf r ei d u f f d e Fa g g elz ug !
Ich freie mich ſ<hun lang uff die Ioordauſendfeier. Doo debts aach e Faggelzuch, doo kinne ma aach
mitgen. Ich hann ma ſchun e Faggel kaaf, e ſchwarz-weiß-rodi! Uffen Faggelzuch hat jedes e ſchwarz-weiß-
rodes Bänchen aan. In alle Stroße ſinn de Heiſer geſchmückt, unn aus de Finſchdere hänge Fahne eraus.
Do grien de Franzmänner emol g'wies, daß ma deitſch ſinn! Au, das gebt ſauwer!
Fr e u d e au f d en Fa > el z u g.
Die Johrdauſendfeijer ſchdehd jeßde foor der Dier. Alle Leit schwätze nure noch vunn der Johrdauſend-
feijer. Inn alle Wirdſchafde is das es Schdammgeſpräch. Die Rechierung hat jo aach die ſchwarz-weiß-rohde
Fahne verbott; awer das gehd uns joo nigs ahn, mer hänge se doch eraus. Aach de Faggelzuch hann je
zuerſt verbott, unn in die Schuhl ſoll 'mer aach gehn. Das wäre jo noch ſcheener. Awer der Faggelzuch
werd doch gemach. Bei de Johrdauſendfeijer wolle mer de Franzoſe emol weiſe, daß mer deitſch ſinn unn
noch zu Deitſchland geheere. Das walte Gott!
Wollte man wirklich mit dem Floskelgeiſt von einseitig ausgelegten Beſtimmungen des Versailler Der-
trages dieſen Geiſt der Iugend verbannen? Vergebliches Bemühen! Wir hoffen, daß die Einsicht den
„führenden Geiſtern“ dämmert, daß ſie, wie auch die Regierung, im eigenen Intereſſe begräbt ihre be-
ſchämende Derordnungskunſt, die jeden völkerverſöhnenden MGeiſt in der einzigen völkerbundlichen Regierung
ſo offenſichtlich verleugnet. Das aber iſt auch der einzige Weg aus dem Dilemma, in das man ſich in der
Alleeſtraße hat hineinmanövrieren laſſen.
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