Saarkalender für das Jahr 1926
. Ianuar:
Die Stadtverordneten von Saarlours danken
Herriot für ſeine Worte, daß die Gerüchte über
eine Abtrennung Saarlouis' von Deutſchland un-
richtig ſeien. Major und Kommandant Delerague
habe 1919 in der Stadt erklärt: „Saarlouis iſt be-
reits franzöſiſch, wir Franzoſen ſind nur zu höf-
lich, es jetzt ſchon zu ſagen!“ Ferner: ,, Saar-
louis ſei bereits franzöſiſch, es fehle nur noch
die Unterſchrift!‘“ Unter dem Druck der Militär-
herrſchaft habe ſich niemand hervorwagen dürfen;
wer es tat, wurde ausgewieſen. Schließlich wird
in der Erklärung der Stadtverordneten gebcten,
dafür einzutreten, reſtlos alle Beſtrebungen und
Einrichtungen zu beseitigen, die auf eine Ab-
trennung vom Mutterlande hinzielten.
. Ianuar: Große Kundgebung aller Saarländer im
Reiche für die bedrängte Heimat. In Ber.in
haben Rathaus und viele private Gebäude die
Flaggen halbmaſt geſetzt, man wollte die Anleil-
nahme an unserem Trauertag der Zolladſchnurung
bekunden.
. Ianuar: Aus dem Reiche Adler-Rollin. Aufsehen
erreat, daß dem Saardeutſchen, Freiherrn v.
Oettinger, die Einreiſe in die Heimat verweigert
worden iſt. Oettinger wurde angeblich wegen
Spionage durch ein franzöſiſches Kriegsgericht zu
Zuchthausſtrafe verurteilt. Seine Veröffent-
lichungen erregen neue Erbitterung über die
sranzsſche Einſtelung der Oberſten Polizeiver-
waltung.
. Ianuar: Immer bedrohlicher werden die Gruben-
ſchäden, die in einzelnen Ortschaften durch franzö-
ſiſchen Raubbau hervorgerufen werden. St. Ing-
bert muß fünf Schnappacher Familien Unterkunft
verſchaffen. Der Bahnkörper von Dudweiler u15
oberhalb des Friedrichsthaler Tunnels hat bereits
ſehr gelitten durch Senkungen.
Die evangeliſche Geistlichkeit der Sy-
noden Saarbrücken und St. Johann richten an die
Regierungskommission eine Eingabe, in der auf
die Not hingewieſen wird, in der ſich die Ar-
beiter, die unteren Beamten und die Penſionäre
im Saargebiet befinden. Die Beſoldung entspreche
nicht mehr den dringendſten Lebensnotwendig-
keiten. In einer Konferenz der Geiſtlichen des
Dekanats Homburg werden die unerträglichen
wirtſchaftlichen Notſtände in den Bergmannsfami-
lien, in den Kreiſen der Fabrikarbeiter und
bryren Beamtenſchaft beſprochen und Abhilfe ge-
ordert.
. Ianuar: Proteſtverſammlung der Merziger Bür-
gerſchaft gegen die Beſchlagnahme von Wohnungen.
. Ianuar: Der franzöſiſche Admiral Degouy nimmt
Stellung zu der bisher von Paris aus vetriebenen
Saarpolitik und ſagt dabei u. a.: ,,Der einzige
und ausſchließliche Grund (des Mißerfolges) iſt
darin zu ſuchen, daß die Regierung weder ein
Saarprogramm noch eine weitſchauende Führer-
perſönlichkeit beſizt, die die unerläßlichen Dor-
arbeiten (für die Abſtimmung) zu zentraliſieren
vermöchte.“
. Ianuar: Auf die Dorſtellungen einer Saar-Dele-
gation in Paris über die Schäden der Zollab-
„ſchnürung antwortet Miniſter Raynaldy, er yabe
den Eindruck, daß man übertreibe, verſpricht
aber, Schwierigkeiten, die auftreten, zu mildern.
. Ianuar:. Finanzminiſter Clementel erklärt heute,
für das Saargebiet beſondere Banknoten heraus-
zugeben im Betrage von 400 bis 500 Millionen
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. Februar:
Franken, um den Notenumlauf Frantreichs zu
verringern. Die ſaarländiſche Preſſe nimmt Stel-
lung gegen dieſe Tollheit und weisſt darauf hin,
daß uns dieſes Geld niemand abnehmen werde.
Januar: Die Preſsſe veröffentlicht eine Eingabe des
Zentrums und der Deutſch-Saarländiſchen DVolas-
partei an den Dölkerbundsrat in Genf. Aufge-
deckt wird als Lug und Trug der Revolutions-
ſchwindel und andere ſchwere Mißbräuch. der Der-
waltung. Präſident Rault wird ſchonungslos
bloßgeſtellt.
Januar: Exploſion ſchlagender Wetter bei Bochum
Schacht Hannibal. Sieben Bergleute tot.
Januar: Der St. Ingberter Stadtrat deſchäftigte
ſich in seiner Sitzung mit dem Untergang Schnap-
pachs durch franzöſiſchen Grubenraubbau. 20
Wohn- und Geſchäftshäuſer ſind bereits ſo ſchwer
beſchädigt, daß ſie einzuſtürzen drohen. Ver Stadt-
rat ruft die Regierung an, der Bergverwaliung
ein Halt zuzurufen und Rückſicht zu nehmen auf
Leben und Eigentum der deutſchen Bevölkerurg.
Ianuar: ,Homme CLibre“ bringt einen längeren
Artikel über das Saargebiet, in dem auch der
„Saarkalender“ behandelt wird. Das Blatt nennt
dieſes Buch, das nur das deutſche Dolkstum gegen
die brutale Gewalt verteidigt, eine ,,ſchändliche,
antifranzöſiſche Propagandaſchrift“", die überall im
ganzen Saarland zu finden ſei.
Ianuar: Die Handelskammer verwirft die von
Frankreich in Ausſicht genommene eigene Saar-
währung und will bei einer Aenderung nur die
Mark wieder eingeführt wiſſen.
Januar: In dem 20. Rechenſchaftsbericht der Re-
gierungskommission wird erwähnt, daß die Zahl
der Gendarmen anfangs 1925 579 Mann hetrage.
Januar: Die Preſſe meldet den Rückgang der
franzöſiſchen Schulen in Heiligenwald und Elvers-
berg.
ZL: Bevölkerungsſtatiſtik des Saargebiets.
Ende 1911 642 490 Seelen, 1914 657 874; 191/7 iſt
eine Abnahme um etwa 10 000 zu konſtatieren.
Dom Jahre 1919 ab iſt wieder eine Zunahme ſeſst-
zuſtellen, die Ende 1923 eine Geſamteinwohner-
zahl des Saargebiets von 749 397 Seelen ergibt.
Februar 1925.
. Februar: Zur Freude der Saarländer jälit mit
dieſem Tage die wirtſchaftliche franzöſijche Zeit
im Bahnverkehr, und die mitteleuropäiſche tritt
wieder in ihr Recht.
. Februar: Hochofen-Erxploſion auf der Dillinger
Hütte, fünf Arbeiter getötet, mehrere verwundet.
. Februar: Die Zentrumsfraktion des Landesrats
richtet Eingabe an die Kegierungskommirq,j10n
gegen den Raubbau der franzöſiſchen Bergwerks-
direktion. Hingewieſen wird auf die Geſährdung
der Gemeinde Schnappach, der Püttlinger Kirche
und der ſaarländiſchen Derkehrsanlagen, Erdſen-
kungen in der Nähe des Bildſtocktunnels, Nacht-
ſicherung der wichtigſten Bahnanlagen durdh berg-
techniſche Maßnahmen.
Zwei Homburger NKegierungsbeamte
wollten die finanzielle Gleichſtelung mit ihren
deutſchen Kollegen durch Gerichtsurteil erkämpfen.
Die Regierungskommiſſion lehnt die ſaarlün-
diſchen Richter als befangen ab.
. Februar: Die Polizeiverwaltung hatte einem ge-
bürtigen Saarländer die Einreiſe in die Hc1imat
verweigert, weil die Regierungskommiſſion ern
Geſetz erlaſſen hat, daß nach Ablauf eines JIaÿres