Saarkalender für das Jahr 1926
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Dezember: Auf das Gerücht, Frankreich wolle die
Saargruben zurückgeben für Saarlouis mit ſieben
Bürgermeiſtereien, die ohne Kbſtimmung abzu-
treten seien, erhebt ſich ein Sturm der Ent-
rüſtunnz. An das Reich, den DVölkerbund und
Frankreich richtet der Stadtrat von Saarlouis
Telegramme und Eingaben, die für alle Zeiten ein
Ehrenblatt in der Geſchichte der Stadt bedeuten.
So heißt es u. a. in dem Schreiben an Herriot:
„Jeden Derſuch der Trennung müßten wir als
eine in unser deutſches Haus geworfene Brand-
fackel betrachten, die Mann, Weib und Kind ſelbſt
mit ihrem Herzblut erſticken würden. Gerade die
Not Deutſchlands kittet uns mit unwiderſtehlicher
Kraft an unſer teures Daterland, dem wir helfen
wollen, wieder frei zu werden. Nichts in der
Welt, keine materiell noch ſo glückliche Zukunft
könnte uns unsere Liebe zu Deutſchland aus dem
Herzen reißen.“
Dezember: Wie viele deutſch gesinnte Beigeord-
nete wird auch der zum erſten Adjunkten von
Homburg gewählte Stadtverordnete L eib r o <><
von der Regierungskommission nicht bestätigt. L.
gibt darauf eine Erklärung ab, in der er heine
bisherige deutſche Haltung unterſtreicht und zum
Schluß der Regierungskommission zuruft: ,,Der
Regierungskommission ſage ich, daß ich trotdem
meine Gesinnung nicht ändere, denn deutſch bin ich
geboren, deutſch bin ich, deutſch bleibe ich und
deutſch will ich dereinſt ſterben. Und gerade des-
halb bin ich auch noch, auch das ſoll die Regie-
rungskommission wiſsſen, allezeit treu bereit für
des Reiches Herrlichkeit!“
Dezember: In der Preſſe wird die Regierungs-
kommission aufgefordert, die Derantwortung für
die Skandale ohne Ende öffentlich in klarer Form
abzulehnen. „Es genügt nicht, wenn der Präſi-
dent einige Sündenböcke in die Wüſte ſchickt. er
ſelbſt muß nachweiſen können, daß er, wenn er
auch die Derantwortung für die von ihm ausge-
wählten Beamten von ſich abzuwälzen vermag,
perſönlich mit den recht üblen Handlungen ſeiner
Organe nichts zu tun hat. Der Dölkerbund kann
ihn unmöglich an der Spitze der Derwaltung be-
laſſen, wenn dieſer Nachweis nicht klar vor aller
Oeffentlichkeit erbracht wird." (Saarbr. Ztg.)
Dezember: Wieder ein Zeitungsverbot im Saar-
gebiet. Die „Deutsche Saarzeitung“ wird auf die
Dauer eines Monats verboten.
Dezember: Das Saargebiet begeht nach einem Auf-
ruf in der „Saarbr. Ztg.“ mit heller Begeiſterung
Neujahr um 11 Uhr der zwangsweiſe eizr1geführten
weſteuropäiſchen Zeit. Sie gleicht 12 Uhr der
deutſchen mitteleuropäiſchen Zeit, um zur ſelben'
Stunde wie die deutſchen Brüder das neue Jahr
zu begrüßen.
Dezember: Die Zuſammenſtellung des Statiſliſchen
und Meldeamts ergibt für die Siadt Neunkirchen
40 429 Einwohner.
Januar 1925.
. Ianuar: Die Preſſe meldet übereinſtimmend, daß
im Saargebiet der Beginn des neuen Iahres nicht
nach der gegen den Willen der Bevölkerung ein-
geführten franzöſiſchen Zeit, ſondern mit den
deutſchen Brüdern gefeiert worden iſt. 11Im 11 Uhr
fanden überall unter Glockengeläute erhebcnde
Kundgebungen ſtatt, Feiertagsruhe herrschte um
12 Uhr franzöſiſcher Zeit.
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Januar: Der Reichskanzler dankt den Stadtver-
ordneten von Saarlouis für ihr erhebendes Be-
kenntnis zum Deutſchtum vom 29. Dezember 1924.
In dem Dantkſchreiben heißt es u. a.: „Vas Kecht
im Wege der Volksabſtimmung frei und unbe-
einflußt über ihre ſtaatliche Zugehörigkeit zu
entſcheiden, iſt vertraglich gewährleiſtet. Keine
deutſche Regierung könnte ihre Hand dazu bieten,
dieſes Recht irgend einem Teile der Bevölkerung
des Saargebiets zu entziehen.“
Januar: Die Preſſe veröffentlicht über die Kuf-
wertungsfrage im Saargebiet nachſtehende Vor-
lage der Regierungskommission: „Die Aufweriung
von Rechtsanſprüchen aus KRechtsverbältniſhen,
welche die Zahlung einer beſtimmten in der bis
1. Iuni 1923 gesetzlichen Landeswährung (Markt-
währung) ausgedrückten Geldſumme zum Gegen-
ſtand haben, kann, auch wenn es ſich um Ver-
mögensanlagen handelt, die durch den Währungs-
verfall entwertet ſind, nicht gefordert werden."
Januar: „Matin“ läßt ſich melden, daß die Saar-
preſſe die Bevölkerung auffordere, jeden Koniakt
mit den Franzoſen zu vermeiden und mit den
franzöſiſchen Beamten nur die notwendigen offi-
ziellen Beziehungen zu unterhalten. In der Sil-
veſternacht hätten die Bewohner des Saargebiets
um 11 Uhr franzöſiſcher Zeit das neue Iahr be-
qrüßt, weil ſie es nicht zugleich mit den Fran-
zoſen begrüßen wollten. Es ſei nicht möglich,
mehr Franzoſenfeindlichkeit zu zeigen.
Januar: Die Regierungskommiſsion verbielet das
Erſcheinen des Blattes ,„Sonntagsglocken an der
Saar“ und des humoriſtiſch-ſatiriſchen Wochen-
blattes „Saar-Großſstadtbrille" auf einen Monat.
Eine Klage gegen die Blätter wagt man nrtt.
Januar: „L'Information“ bringt die Meldung,
daß von Frankreich eine Spezialbanknote für das
Saargebiet geplant sei zur Entlaſtung des Noten-
umlaufs der Bank von Frankreich.
Januar: Angliederung des Saargebiets an das
Zollregime Frankreichs. Zu der peolitiſchen nun
auch noch die wirtschaftliche Abſchnürung. Die
Saarregierung verſagt auch hier, ſie behauptet,
nur die Pflicht zu haben, den Friedensvertrag zur
Ausführung zu bringen. In dem Vertrag iſt aber
nur die Rede vom franzöſiſchen Zollſyſtem, nur
Willkür hat die Zollabſchnürung gebracht. Herriot
erklärt, daß Frankreich die ,„ausländiſchen An-
gelegenheiten“n des Saargebiets wahrzunehmen
habe. Die Knebelung kann nicht krasser illuſtriert
werden. Unſer Wirtſchaftsaustauſch mit Deutſch-
land gehört alſo zu unseren „auswärtigen Ange-
legenheiten“. Ueber die Bedeutung der Zollab-
ſchnürung ſchreibt die Preſſe u. a.: „Die Regie-
rungskommiſsſsion hätte die Pflicht, den wirtſchaft-
lichen Irrſinn des Saarſtatuts, wie die Franzoſen
es auffasſſen, zu korrigieren; aber ſie handell nur
in franzöſiſchem Interesse.
Januar: Neben den Klagen der Bergleute er-
ſcheinen in der Preſſe fortwährend Beſchwerden
über ſchlechte Beſoldung der unteren Beamten und
Angestellten der Saarregierung, der Eiſenbahner,
der deutſchen Beamten und Angestellten der Berg-
verwaltung.
Januar: Der Verband der Angestellten und An-
wärter der Saargruben hält eine Derſammlung ab,
die gegen die ungerechte und unſoziale Feſtſehung
der Gehälter proteſtiert und von der Bergverwal-
tung Gerechtigkeit fordert.
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