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Saarkalender für das Jahr 1926
Oktober: Polizeimajor Dörffert, Kommandant der
~ der Saarregierung unterſtehenden – dchutz-
mannſchaft, wegen verſchiedener Delikte verhaftet.
D., wohl der beſtgehaßte Mann im Saargebiet,
war ein williges Werkzeug der Franzoſen.
Oktober: Nach lebhaften Auscinanderſetzungen
über die Schulfrage, in denen Dr. Notton ſdcharf
angegriffen wird, beſchuldigt in einer öffentlichen
Erklärung der Bürgermeiſter Dr. Neikes von
Saarbrücken den Miniſterialdirektor Dr. Notton,
daß er verſucht habe, einflußreiche Mitglieder des
Zentrums dazu zu bewegen, für eine Abtrennung
des Saargebiets vom Bistum Trier einzutreten,
und ſeinen Biſchof zu verraten, um die poli-
tiſchen Ziele anderer Leute zu fördern. Man er-
wartete allgemein hierauf eine gerichtliche Klage
Nottons, die aber nicht erfolgte. – Gegen den
Bürgermeiſter leitete die Regierung zur Ver-
wunderung der Bevölkerung ein Diſziplinarver-
fahren mit dem Ziel auf Amtsentſetzung ein.
Oktober: Auf dem Iubiläumskoöngreß der Chriſt-
lichen Gewerkſchasten teilt Landesſekretär Hillen-
brand mit, daß die Zahl der Gewerkſchaftsmit-
glieder von 10 000 im Jahre 1914 auf 27 000 im
Jahre 1917 geſtiegen sei. 1920 habe die Bewegung
über 44 000 Mitglieder verfügt, die ſich aus 24
Berufsverbände verteile. Am 1. Januar 19214
habe die Mitgliederzahl 58 045 betragen.
Oktober: Gemeldet wird aus dem Kuhrgebiet
das Abſchieben von Micumhelfern ins Zaargebiet.
Es ſeien neben landesverräteriſchen Deutſchen
auch viel Polaken darunter.
November 1924.
. November: Aufsehen erregt die Deröffentlichung
eines mit , Geheim“ bezeichneten Briefes der
Oberſten Polizeiverwaltung des Saargebiets an
den Direktor des Depots von Saint Martin de
Ré, wo ein Saarländer, Oettinger, von Franzoſen
wegen angeblicher Spionage zu 10 Jahren Zucht-
haus verurteilt, ſeine Strafe abbüßen jſollte. Er
kam nach Beendigung der Ruhraffäre frei. In
ſeinen Akten fand er ein Schreiben des Polizei-
direktors Adler, in dem ſich dieſer hohe Beamte
des Saargebiets gegen die Intereſſen der saarlän-
biſhen Familie und offen für die Franzoſen ein-
etzt.
. November: Hochwaſſer, dâs größte der Saar seit
28. November 1882, damals 7,61 Meter. Am
Abend des 2. November Pegelſtanv 7 Meter,
großer Schaden. Im Jahre 1824 erreichte die
© Flut 8 Meter. Am 14. und 15. Ianuar 1920 6,92
. November:
Meter.
. November: Die Metallarbeiterverbände beſchließen
die Wiederaufnahme der Arbeit auf der Völk-
linger Hütte am 3. November.
Die Saarbrücker Stadtverordneten-
verſammlung protestiert energiſch gegen die Ein-
leitung des Diſziplinarverfahrens mit dem Ziel
der Amtsentſeßung gegen den Bürgermeiſter Dr.
Neikes und hebt zum Proteſt die Sitzung auf.
~ In der Sithung v o m 7. N o v e m b e r nimmt
der Stadtrat einſtimmig eine Proteſterklärung der
Stadt Saarbrücken an, in der es u. a. heißt:
„Die Stadtverordneten haben die Ueberzeugung
gewonnen, daß die Regierungskommiſsion den
Bürgermeiſter Saarbrückens wegen seiner mann-
haften und mutigen Verteidigung der Selbſt-
21.
. November:
. November: Selbſt die deutſchfeindliche
verwaltung beſeitigen wil. Sie verſichert für
dieſen Kampf den Bürgermeiſter ihrer vollen
Unterſtiüszung und wird dieſen Kampf als den
ihrigen betrachten.“
In derſelben Sitzung vom 7. Novemher macht
der Bürgermeiſter die Mitteilung, daß Saar-
brücken Flughafen werde.
. November: Unter dem Druck der franzöſiſchen Be-
ſatung wurde Saarlouis zur Errichtung eines
öffentlichen Dirnenhauſes gezwungen. Mit dem
Freiwerden von franzöſiſchen Soldaten beſchließt
der Stadtrat einſtimmig, koſte, was es wolle, das
ſtaatlich konzessionierte Haus sofcrt zu entfernen.
Scharfer Einſpruch der Stadtverord-
neten von Neunkirchen gegen den Zuzug der
Mikumleute. Die Derſammlung iſt entrüſtet und
erblickt in dem Zuzug eine ungeheure Der-
ſchärfung des ſchon untragbaren Wohnungs- und
wirtſchaftlichen Elends. Der Stadtrat will mii
aller Schärfe vorgehen.
. November: Das Neunktirchner Hüttenwerk kündigt
die Entlaſſung reſp. Penſionierunng von 80)
Arbeitern an wegen der unrentablen Geſtaltung
der Produktionsverhältnisſſe. Monatlich 2 Million.
Franken Zuſchuß.
„Times“
erklärt, daß das induſtriele Leben des Saar-
gebiets nach der Zollabſchnürung am 10. Ianuar
von einem Chaos bedroht ſei, da die franzöſiſchen
Tarife gegen Deutſchland, den Hauptmarkt des
Saargebiets, in einigen Fällen bis zu 60 %;,
betragen.
November: Der Haus- und CGrundbeſitzerverein
und Mieterſchußzverein von Neuntirchen ver-
anſtalten eine große Proteſtkundgebung gegen den
Zuzug der Mikumleute. Erſchütternd ſind die An-
gaben über das Wohnungselend. (Fünf bis ſechs
Perſonen in einem Dachzimmer oder in einem
feuchten Kellergelaß.2) Die franzöſiſche Gruben-
verwaltung vergrößere das Elend, ſie baue nicht.
ſie kaufe noch Häuſer, ſie und ihre Hinter-
männer hätten kein Herz für die Saarhevölke-
rung. Die Regierungskommiſſion verhindere das
Beſtreben der Städte, durch eigene, kräftige Maß-
nahmen die Wohnungsnot zu lindern.
. November: In der Preſsſe erſcheint eine Eingabe
der Zentrumsfraktion an die Kegierungskom-
miſſion. Gefordert "wird die Wiederherſtelung des
Poſtſcheckverkehrs in Reichsmark. Sodann wird
auf den Grubenraubbau der Franzoſen, wodurch
die ſtattliche kathol. Kirche Püttlingens, genannt
der Köllertaler Dom, ſeit Dezember 1922 stark
. gefährdet ſei. Bei weiterem gerügten Abbau der
30.
Kohle drohe der Bau zu verfallen. Vie Regie-
rungskommisſion wird gebeten, das Weiterbeſtehen
der Kirche zu ſichern.
November: Aus dem Verwaltungsbericht Saar-
brückens iſt u. a. zu entnehmen, daß am
30. September die Zahl der ſtädtiſchen Beamten
334 betrage und die der Angeſtellten 272. Bei den
ſtädtiſchen Bauämtern waren am 30. September
insgeſamt 514, bei den Betriebswerken 258, bei
den Schlachthöfen 5 Arbeiter (zuſammen 777
Arbeiter) beſchäftigt. – Die Steuereingänge ſind
im erſten Halbjahr gegen den Etatvoranſchlag
zurückgeblieben um 20 Millionen Franken.
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