Full text: 4.1926 (0004)

Saarkalender für das Jahr 1926 
gestalten Serenissimi Hochfürſtliche Durchlaucht zugleich gnädigst geäußert hätten, daß 
das Oberamt beyde Stadtgerichte responsable (verantwortlich) machen und zur Verant- 
wortung ziehen solle, wann jemand heimlich Hunde hielte und solches von ihnen, Stadt- 
gerichten, nicht angezeigt würde.“ 
Weiderecht der Bürger und fürſtliches Jag dr echt. 
Bürger und Fürsten gerieten bisweilen in Ziviſt wegen des Weiderechts und Jagd- 
rechts. Nachstehender Erlaß des Fürsten Wilhelm Heinrich zeigt Serenissimus guten 
Willen, der Bürgerschaft entgegenzukommen. Das Dokument hat folgenden Wortlaut: 
„Da etliche Dumme oder übelgesinnte Burger sich haben verlauten lassen, Ich wolle 
sie in ihrer Nahrung durch meinen neuen Saarbrücker Parforce-Zaun schwächen, ihnen 
darin den Viehtrieb das ganze Jahr verbieten oder ſonſtige Drangsale anthun, So habe 
ich des Gegentheils wollen hiermit das Stadtgericht versichern.“ 
„Die Heerde wird vor wie nach ihren Weidſtrich behalten, nur, wie im ganzen Land 
üblich, die Setzzeit und Brunſt ausgenommen. Noch will ich der Heerde erlauben, in der 
Brunſstzeit den Parforce-Zaun zu befahren, wohingegen die Jagdtäge der Hirt auf dem 
Feld bis nach der Jagd zu warten hat.“ 
„.Was ein Thor zum Viehtreiben belangt, kann es die Burgersſchaft auf die alte 
f!!! Chanfles setzen lassen. Der Hirt wird aber vor die Beſchließung reſpondiren 
verantwortlich ſein).“ 
„In allem ſuche Ich den Wünſchen meiner Unterthanen entgegen zu gehn, herentgegen 
liebe Ich die unruhige Köpfe nicht, und finden sich oft Gelegenheiten solche zu züchtigen, 
hingegen die wohlgeſsinnten auch Proben meiner Wohlgewogenheit zu geben.“ 
(Ludwig Fürſt zu Nassau-Saarbrücken.) 
  
Die Graß. 
Don Lies beth Dill. 
Die franzöſiſche Presse gefällt sich noch immer darin, zu erzählen, 
deutſche Uniformträger hätten vor der Wut der Bevölkerun durch 
iiscccOODoOO 
„Ich in die Stadt?“ sagte die Groß, die am Herd saß und das Kaffeewasser bewachte, „mitten In 
der Woch, sich in die überfüllte Straßenbahn drücken, sich den Hut vom Kopf stoßen und das Porte- 
monnaie aus der Taſche ftibizen zu laſſen, for die paar Soldate zu siehn? Nit for e INillion! “ 
Soldaten! früher war hier die Welt davon blau und rot gewesen, Jeden Sonntag kamen sie auf 
Urlaub ins Dorf, die hellblauen Dragoner, die Artilleriften und die Infanteriften und ftolzen IUlIanen. 
Sie war nicht militärfromm, die Groß, es war wenigftens ſchon lange her, seit man es Ihr nachgesagt, 
und sie hatte ihre Töchter, die als junge Mädchen In der Stadt dienten, genug verwarnt: „„kumm mr 
emohl] doher mit so ’me Soldat . .“ und sie hatten denn auch, nach etlichen mIlitärischen Zwischenfällen 
brav ihren Bergmann geheiratet, hatten ihr Häuschen, ihren Garten und in der Serne die „„Pahſion . .* 
Aber sie waren alle nicht mehr zu halten, seit die Kunde ins. haus geflogen war, in der Stadt 
seien deutsche Soldaten angekommen, mehrere Offiziere in vier Autos, eine deutsche Kommission, die 
mit den fremden Besatzungsbehörden verhandeln wollten, sie seien Im „Rheinischen Hof“ abgeftiegen 
und fahren in Uniform durch die Stadt . .. Das Dorf war in Aufruhr, die Männer hatten es von 
der Grube mitgebracht, sie wuſchen sich neben in den Kammern den Ruß aus dem Gesicht, die Neffen 
flogen in Ihre Sonntagskleider, und sogar der Schwiegersohn, der „„Sried‘“’ war nicht davon abzuhalten, 
er wollte mit, er mußte sie sehen, und sie konnten ihn nur mit größter Mühe davon abhalten, sein 
schwarzweißes Band einzuknöpfen, das etwas ausgefranst war und noch vom Krieg siebzig stammte . . . 
Ihr Sohn marſchlerte ſchon seit einer Stunde vor dem kleinen Bergmannshaus an der Chaussee 
auf und ab, um nach einer weniger vollen Straßenbahn auszuſpähen, die am Haus vorüberrasselte, 
mit Menſchen überfüllt, die alle der Stadt zufuhren. 
In diesem Land hatte man keine deutsche Militärmütze mehr gesehen seit dem Novembertag, 
als sîe zum letztenma]l hier durchkamen in langen Zügen In ihren abgenutzten Iniformen. 
Die kakigelbe Uniform, das rote Sez der Marokkaner, das neue Graublau beherrschte Jetzt 
das Straßenbild, auf den Dächern der öffentlichen Gebäude wehte die Trikolore, und überall begegnete 
man den dunklen fremden Gesichtern unter den bleigrauen Sturmhe'men. 
„Ich han noch de erscht ahnzugucke,“ sagte die Groß. Vor den „Wilden“ wandte sîe immer 
raſch den haubengeschmückten Kopf.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.