Saarkalender für das Jahr 1925
Was sonst noch da war, ist bei Hinterlegung des Geldes von den Ambtleuten Schultheis
und Schöffen vertrunken worden. Bald darauf erſcheint auch der Bader, der bei Anna
Maria das Amt unserer heutigen Hebammen versehen hatte, mit seiner Forderung und
Quittung folgenden Inhalts:
„Belangt an Anna Maria. Ist mir, Meiſter Olwert, für Verdienst worden
5 Reichsthaler.
Darauf empfangen 1 Goldgulden, macht zuſammen 5 Kopfstücke. Außerdem noch drei
Reichsthaler und drei Reichsortstücke. Die Hausfrau begehrt ein. Drinkgeld einen halben
Reichsthaler. Meister Olwert.“
So geht es weiter, bis das geſamte Erbteil verſchwunden iſt und kein Pfennig mehr
hinterlegt, oder den Erben ausgehändigt werden kann. Schultheiß und Gericht
verfehlen nicht, ſtets das Ihrige zu tun, um bei dieſem Plündern des Erbgutes nicht zu
kurz zu kommen. Auch die umwohnenden Grafen ſtellen sich ein und fordern ihren
Teil. In dieſem Falle macht für einen Adeligen sein Haushofmeister auf einen Teil des
Anweſens sein maßgebliches Recht geltend. Die übrigen Plünderer sind darüber erzürnt
und lassen eine Epiſtel vom Stapel, des Inhalts:
„Sofern jener Cellarius im Auftrage des Grafen zur Einheimſung besagten Anteils
auch nur Luſt bezeugen würde, man. nicht abgeneigt sei, ihn gegen den Hut zu spucken. .“
Bei all den Amtshandlungen, die notwendig erſcheinen, verſäumt das Gericht,
der Amtsmann, die Kanzlei oder die Schöffen nicht, den Vermerk beizufügen:
„Kanzleigebühr: 1 Goldgulden.“
„Bei Erstattung dieſes Geldes von Ambtleuten, Schultheis und Gericht verzehret
worden 5 Maß Wein, thun zuſ. 8 fl. 13 alb.“
Das Weintrinken am g,geſseſſenen Gericht“ auf Kosten der Herrſchaft oder der -.
unterliegenden Partei, war eine alte Sitte, die die Gemütlichkeit des ſonst auch feucht-
fröhlichen Daſeins des Volkes jener Tage, aus dem Gerichtsſaal nicht ausſchloß ünd
auch nach meiner Ansicht für unsere Zeit noch zu wünſchen wäre. :
An Münzsorten waren bei der Aufteilung vorhanden: Dukaten, Goldgulden, Gulden,
Königstaler, Goldkönigstaler, Roſenobel, Reichstaler, Kopfstücke, Ortsstücke, Peter-
männchen, Albus, Heller und Pfennige. Bei all diesem Geld kam es noch darauf an, ob
es Landeswährung oder eine Münze der vielen Fürſten- und Grafenhäuſer war und
demnach berechnet werden mußte. Die „Moseler Währung“ spielte ganz besonders in
unsrer Gegend eine große Rolle. Die Geduld, mit welcher alle diese Gelder angenommen
und verrechnet wurden, beweiſt, daß die Leute damals viel mehr Zeit hatten wie wir
heute, weniger nervös und daher viel glücklicher waren, wie wir. Aber von einer guten
alten Zeit zu reden, liegt trohdem keine Veranlaſſung vor. Es war genau wie heute:
Die kleinen Diebe hängte man und die großen behängte man bei allem Betrug noch
| mit äußerlichen Titeln und Ehren, auf welche Albernheiten die damals auch schon
nur mit einem Gehirn begabten „Hoochen“ genau ſo verrückt waren, wie unsre heutigen.
Daß aber auch der Bürger als Schöffe mit dem sogenannten Adel der damaligen
Zeit nicht viel Federleſens machte und vor allem nicht, wie leider heute noch üblich,
ſchweifwedelte, ſagt uns das, was ich noch anfügen und womit ich ſchließen will:
„Als den letzten Tag Juli dieſes 1626. Jahres Endreß Sturz, Rindvieh, so er
von der Wittwe von der Ley en zum Fahrenlehren angenommen hatte, in unſern
Weidſtrich laufen ließ, allwo es gepfändet wurde und ins Wirtshaus isſt eingestellt worden,
iſt an Unkosten (für den mannhaften Umtrunk, „wie von altersher bräuchlich“. Anm.
des Verf.) damals aufgangen 51% Reichsthaler, wozu er „verknickt“ wird und bezahlen
ſoll. Aber alle beide, sowohl die Wittib, wie auch der Sturz, haben versprochen, den
Weidstrich nimmermehr zu betreten, wie aus den beigelegten Briefen (die leider ver-
loren. gingen) zu ersehen.“
Dieſer Bürgerſtolz dürfte auch leicht bei uns wieder Allgemeingut werden, vergäüzgen
nur nicht so viele, daß mancher mit dem nichtsſagenden Wörtchen „von“ vor
einem Namen prahlt, während doch bestimmt anzunehmen ist, daß unser aller Urahne
nur der „Peter Esel“ war!
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