Saarkalender für das Jahr 1925
Grabſchändung bei Spichern.
Von Ludwig Bruch.
enn wir vor eine Grabſtätte treten, dann fühlen wir uns aus innerem Erleben
allem Niederen entrückt. Vor den Hügeln der Toten öffnen ſich die lichten
Höhen reinen Menſchentums, wo Bitternis und Bedrängnis im Bewußtſein
der Todgleichheit aller überwunden sind. Kein Neid ist denkbar und kein
Haß, kein erdhaftes Sinnen und Trachten, nur ein Ahnen des Unvergänglichen in dieſer |
Welt des Vergehens, ein Spüren des zeitloſen Werdens, des tote Zeugen geborgen im
Schoß der Erde liegen. Wahrlich, wo die Toten ruhen, ist heiliges Land!
. Doppelt heilig, wenn wir vor die Grabſtätten
gefallener Krieger treten. Nicht nur Ehrfurcht
und Liebe ranken sich dort um Kreuz und Hügel,
ſondern zugleich der Lorbeer des Ruhmes, der
allen Nationen Symbol heldiſcher Ehre und
| ſittlichen Adels iſt. Habt Ihr es nicht ſelbſt
ſchon gefühlt, als Ihr durch Flur und Heide
ſchrittet und ein Kriegergrab Euch zum Sinnen
einſam ragend in Feld und Acker, mahnend vom
ſteilen Hang der Felſen und den Kuppen kahler
Höhen = ſo liegt es da, ein Heiligtum der
Nation, das unter dem erhabenen Himmelsdom
zum würdigen Altare wird. Sie schlummern
nicht, die Krieger, wie die anderen, denen der
Schnitter Tod ein Bett hinter den Mauern des
als sie dem Sieg und Tod entgegenstürmten,
wo immer sie der Fahne folgten, die das
| ſanken und ſtarben und ihr Leben gaben für
die Brüder ~ dort liegen und ſchlafen sie in
_ [| ewiger Ruh, als Künder ruhmvollen und
] ſittlichen Opfermutes. Ja, ziehet die Schuhe
aus, wo die Erde ihre Leiber birgt, wo
trauernde Liebe zum Dank und Gedenken
, j § wacht und Stein um Stein zum Mahner
“L Un Tethar t Be h Vt. B LIE rc
frägt, ob sie als Deutſche starben oder als Kinder der Trikolore und niemand
iſt, der die Weihe ſtörte im Leugnen der Gleichheit, deren verſöhnendes Band sich im
Sterben um Freund und Feind geſchlungen. Kein ritterliches Volk auch ehrt nur
ſ eine Toten. Wo wäre ein toter Feind noch Feind? Wo wiäre er nicht der
Menſchenbruder, der für gleiche Tat den Tod empfangen, da er das Vaterland im
Kampfe liebte ? So ſchmückte ein Heerführer Preußens die zerſchoſſene Bruſt Abel Douans
bei Weißenburg, ſo warfen Englands Flieger Kränze, als ein deutſcher Adler totwund
zur Erde ſank, so zogen die Kinder der Saarsſtadt einſt hinaus zum Schlachtfelde von
Spichern, um ohne Scheidung die toten Kämpfer zu ehren. Gruppe um Gruppe zog
durch Wald und Heide, ſuchte Grab um Grab und ſchmückte sie rührend in kindlich
ſanfter Liebe. Und ob sie auch unter den Bäumen am Drahtzug ſchliefen oder am dunklen
Hang des Giffert- und Pfaffenwaldes, ob sie im Ehrental ihre Ruheſtatt fanden oder
dort, wo ein Stein das Sterben fremder Krieger kündet :
Zerſtörtes Kreuz eines Kriegergrabes
auf der Gpicherer Höhe.
A la mémoire des soldats francais
décédés en 1870-71
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zwang ? Verborgen im wuchernden Grün der
Hecken, verdeckt zwiſchen Gestrüpp und Gebüſch, |
Friedhofes wies. Wo immer das Blei sie traf, |
Vaterland den Streitern gab, wo immer ſie |