Saarkalender für das Jahr 1925 :
diesem Antrag ſstattzugeben. Er fügt hinzu, daß er ſich perſönlich zur Verfügung des
Generalsekretärs halte, um ihm ſsoweit als möglich alle gewünschten Aufschlüsse zu
neben. .. ..... Ich muß sagen. daß ich für meine Person k ein er l ei Gr und sehe, d e m
Antrag des Herrn v. Boch ſtattzug eben, und daß dieſer Antrag k ein en
Grund zu irgendwelcher Maß nahme bietet.“ Gerade kei.1e Kennzeichen für [
eine günstige (andere würden sagen: eine vorurteilsloſe) Auffassung beim Völkerbundsrat.
. Der Vorstoß der erſten Delegation richtete sich im übrigen gegen die wirtſchaft-
liche Notlage des Sa arg ebi ets infolge der z wan g s wei s en Einf üh r ung
des franzöſiſchen Franken und gegen die allgemein e (Französiſie-
rungs-) Politik d er Saarregier ung. ;
Sehr viel schien man in Ge1f nun wohl nicht zu wiſſen von jener zwangs-
weisen Einführung des frangzöſiſchen Franken unter merkwürdigen
Rechtsbrechungen, die nicht nur die saarländische Jaduſtrie zu ersticken drohte, sſondern
wirtschaftlich die Bevölkerung in zwei Lager teilte: die reichen Frankenempfänger und die
hungernden Markempfänger. – Das Ziel der politiſchen Ertzweiung lag so ganz abseits
dabei wohl auch nicht!
Genf wußte augenſcheinlich auch nicht, daß es Frankreich ermöglicht worden war,
ſeine Vormachtstellung als Besitzer der Saargruben zu benutzen, um die ſaar-
län d iſ<h e In duſtr ie zur Abgabe von 60 Proz ent i h reer Akti en an das
franz öſs i \ che Kap it al zu zwingen.
Genf wußte augenſcheinlich wohl auch nicht allzuviel von jenem Drum und Dran
beim Beamtenſtreik: den Maſsſ env erh af tun gen und Au s weis un gen uſw.
Es ahnte wohl auch kaum etwas von den schönen Erklärungen des Herrn Rault an die
Beamtenvertreter: Die: Beamten, die die Regierung hier vorgefunden habe, seien
Preußen und Bayern (was denn auch ſonſt? D. V.), die an sich kein Recht mehr hätte.1,
als Beamte des Saargebiets hier zu bleiben. (!11) Und seiner Betonung, daß die Saar-
regierung das Recht habe, ihre unmittelbaren Mitarbeiter aus anderen Nationen zu
wählen (die Saarbevölkerung also zu einem Helotenvolk zu machen. D. V.) Wobei ſich
Herr Rault sogar noch auf Wilson berief! Armer Wilſon! Uad Genf war sich augen-
fcheinlich auch nicht bewußt, daß tatsächlich im Saargebiet an allen Zentralſtellen
der Verwaltung faſt aus \chli e ß lich Aus län d e r saßen, hauptsächlich Franzosen.
Ganz zu ſchweigen von dem Heer beſoldeter (Spitzel – ein Gewerkſchaftsführer, ein Loth-
ringer, war eigens hereingeholt worden mit dem beſtimmten Auftrag, für die Franken-
einführuag zu sorgen; der Führer der Kommunisten, W al tz, war gekauft und leitete
seine Genossen nach gegebenen Richtlinien. –
Etwas mußte allerdings Genf davon wissen, daß entgegen den Versailler Be-
stimmungen im Saargebiet franz öſi ſch e Bes a z un g lag, denn der Völkerbundsrat
hatte ſich auch schon mit dieser Angelegenheit befaßt. Wußte Genf auch, daß hier bei
der durch die Anwesenheit des Militärs noch erheblich geſteigerten Wohn un g s n ot eine
Wohnungskommäüiss jon über die freiwerdenden Wohnruagen verfügte, die in ihrer
„ Mehrheit aus franzöſiſchen Offizieren und Beamten zusammengesctzt war?
Wußte Genf wirklich, welchen tiefen Eingriff in das bisherige Rechtsleben an der
Saar die A end erun a der Juſtizaes etz e darſtellter Erfaßte man dort ganz die
Bedeutung der Verordnung über die „Eigen ſcha ft als Sa ar ein w oh n e r“, Ich
will dabei nicht einmal die ~ meinetwegen ſtrittige ~ Frage berühren, ob das nicht die
Schaffung von Staatsangehörigen eines Gebietes war, das kein Staat iſt. Aber hatte
man ia Genf auch nur ein bißchen von der Hellsichtiqgkeit, mit der wi r nur zu klar
auch dieſer Verordnung auf den richtigen Grund ſchauten? Wie vereinigte Genf die
Feſtlegung in den Versſailler Beſtimmungen, daß die Bewohner des Saargebiets ihre
Schulen und ihre Sprache behalten, mit der Tatsache. daß die Regierungskommission die
franzöſiſchen Gruben ſchulen zu allgemeinen Volks ſchulen im Saargebiet
erhob? (Herr Rault versprach sogar für die beſuchenden Kinder – Motivenbericht zu den
Verordnungen vom 10. Juli 1920 –+ ,eine Verwendung auf den im [Friedensvertrag
vorgeſehenen internationalen Poſtenûn. – –~ Man muß nur sehen, welcher Ausſchuß, aus
einheimiſchen Kreisen, diese Schulen besucht.)
Wußte aber vor allem Genf, daß alle dieſe Maßnahmen nichts anderes waren als
Akte autokratiſcher Willkür. Der Willkür gegen die Saarbevölkerung. Das
von den Versailler Bestimmungen vorgeschriebene Anhören d er gewählt en Ver-
treter der Bev ölk erung war zu einer erbärmlichen Farce geworden. Denn alle
dieſe Maßnahmen wurden getroffei g eg e n das klare Gutachten der zuſtändigen Ver-
trelungen –~ damals die kommunalen Körperſchaften –, ja trotz der entſchiedenſten Ver-
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