Full text: 1924 (0002)

  
Saarkalender für das Jahr 1924. 
1918 ganz bereit (tout prêts) waren, wieder Franzoſen zu werden.“ – „So höre ich dich gerne 
ſprechen,“ sagte die alle Dame. . . . „Ja, damals gab es einen Ruck nach Frankreich (un élan 
vers la France), der mein altes Herz vor Freude erzittern ließ. Wie du glaube ich, daß, wenn man 
die Abſtimmung am Tage nach dem Waffenſstillſtand vorgenommen hätte, die ,„sarrois“, vor allem 
die Saarlouiſer, in Mehrzahl für das Mutterland geſtimmt hätten.“ Es fragt ſich dabei nur, was die 
„sarrois“ als ihr Mutterland ansehen! ; 
Wenn man ſolche Stellen lieſt, dann fragt man ſich doch unwillkürlich, wie es eigentlich mög- 
lich iſt, daß sich die Bevölkerung der Saarſtädte derart gewandelt haben kann. Man fragt ſich, und 
das mit gutem Recht, ob denn der Verfasser dieſes Buches gar keinen Blick in. unsere deutſche 
Literatur getan hat, um dort einmal zu ſehen, wie man über das Volk an der Saar denkt. Wir 
wiſſen es, und lassen uns auch durch die fadenſcheinigen Ausführungen des Herrn Gourdon nicht 
davon abbringen, daß die Menſchen, die an der Saar wohnen, denen Rückert in ſchwerer Zeit 
einmal das Lied vom „Arm Saarvöglein“ geſchrieben hat, von jeher im Herzen gut deutſch waren, 
es auch heute noch sind und es jeder Zeit, wenn die Frage deutsch oder was sonſt? an sie herantritt, 
vor aller Welt ſchlagkräftig beweiſen werden. Als Entgelt für den Leſer, der im vorangegangenen 
ſo manches Böses von ſich leſen mußte, will ich mit den Worten ſchließen, die Walter Bloem in 
ſeinem Roman ,Das eiserne Jahr“ der Saarbrücker Bevölkerung gewidmet hat; wo er so oft von 
der überaus großen Vaterlandsliebe der Saarbrücker ſpricht, von ihrer unermüdlichen Fürsorge für 
ſeine deutschen Verteidiger in den heißen Auguſttagen des Jahres. 1870. Als die 40er von Trier 
ankamen, ,„harrte in dicht gedrängten Massen, trotz der späten Nachtsſtunde, trog der böigen 
Regenschauer, . . . die Bürgerſchaft der Schwesterſtädte vor dem hochgelegenen Bahnhof von St. 
Johann“ ... „von drunten aber, wo die Bürger ſtanden, klang ein einziger, langhinhallender 
Jubelſchrei des Willkommens, der Erlöſung.“ ... Und als die wackeren Soldaten dann auf dem 
Wege zum Quartier ſind, fragt man sie: „Habt er Hunger, Jungens? un Durſt? da nemmt –~ 
nemmt.“ – ,„Butterbrote, Hände voll Birnen und Pflaumen ſtreckte man ihnen hin, ſtopfte ihnen 
von vorn und hinten die Taſchen: voll, Bier- und Weinflaſchen reichte man ihnen entgegen ...". 
Und dann leſe man nach, wie die Verteidiger deutſcher Erde in ihren Quartieren bewirtet wurden, 
wie herzlich gar bald das Einvernehmen zwiſchen den Gästen und ihren Wirten geworden; nicht 
zu vergessen alle die Stellen, an denen von der opferwilligen Hilfsbereitſchaft für die Verwundeten 
die Rede iſt. Und eine derartige Bevölkerung ſoll sich derart gewandelt haben, soll dies alles aus 
ihrem Gedächtnis ausgelöſcht haben, soll zu jenen hinüberneigen, die während Jahrhunderten als 
der „Erbfeind“ angeſehen wurden? Daß dies nicht der Fall iſt, daß es auch in den ſtürmiſchen 
Novembertagen des Jahres 1918 nicht war, in denen wir „tout prôts“ gewesen sein ſollen, wieder 
franzöſiſch zu werden, mag durch eine andere Schilderung erhärtet werden, die sich in Lisbet Dills: 
„Der Abſchied der Regimenter“ findet: „. . . über die Brücken drängt dicht ein neuer Zug Soldaten, 
von Kindern begleitet, die ihnen das Gepäck tragen. Selbſt die Kinder haben den Drang, unsern 
Soldaten noch etwas gutes anzutun. Und in den Saarbrückern wird der alte patriotiſche Geist 
wieder wach, die Luſt am Geben und Schenken. Erst erſcheinen ein paar ſchwarz-weiß-rote Fahnen 
an den Fenstern, hier und dort, dann auf einmal sind überall Fahnen da und wehen von allen 
Fenſtern. Vor den Türen erſcheinen plötzlich Tiſche mit dampfendem Kaffee, mit heißer Suppe, 
Brötchen und Brote werden aufgeschnitten und an die hungrigen Soldaten verteilt, Zigarren und 
Zigaretten. . .. Man ſteckt den Soldaten Blumenſträuße an, die Kinder drücken ihnen ſchwarz-weiß- 
rote Fähnchen in die Hand, und die Soldaten nehmen gerührt die Liebesgaben entgegen, dankbar 
den Bewohnern, die sie so gaſtfrei aufgenommen. ... Eine stürmische Begeiſterung bricht los, als 
un sere Regimenter unſere Stadt verlassen.... Ein geſunder, patriotiſcher Geiſt ſteckt in der 
Bevölkerung hier, der läßt sich nicht austreiben und verwischen. Schwarz-weiß-rot flattern die 
fetten: deutſch jyollen wir sein! Gesund demokratiſch iſt man immer hier gewesen, aber leiden- 
aftlich national. .. .“ 
Das iſt das Saarbrücken, das nach der Behauptung des Herrn Gourdon „ganz bereit“ war, ſich 
vom Deutschtum abzukehren! Und diefen Zeugen, die daneben standen, die die Sache nicht durch eine 
rieſengroße Tendenzbrille ansehen, denen glauben wir mehr, die wollen wir zu unſern Sprechern 
„machen. „Ja, ja, Herr Gourdon, „oft iſt der Wunſch der Vater des Gedankens“! 
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Dns erſte Bild über die Erſtürmung der Lpicherer Höhen. 
Anzeige aus Nr. 208 vom Samstag, 27. Auguſt 1870. ' 
. Die Erſtürmung des Spicherer Berges 
von Rauſch, Lithograph und Photograph in St. Johann. ; 
Ich bitte freundlichst verehrliche Abonnenten bei Abnahme der Bilder (von Sonntag ab) gefl. 
auf die angeheftete Adresse zu achten, indem ich feſt ib.rzzect hin, des tt. Fetlere uk eur 
L ehergvr dtr Mert MR GLG k ta§e. J | 
  
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