Saarkalender für das Jahr 1924.
Jahre dadurch eine allmähliche Wandlung, daß die Ende 1920 einsetzende und ſich
rapid weiterentwickelnde Entwertung der Mark als ausſch:aggebender Faktor für den
Stand der Teuerung immer mehr in den Vordergrund trat.
Der Leser möge verzeihen, wenn ich hier etwas weiter aushole, um diese Er-
scheinung zu erklären.
Bekanntlich vollzog sich in den letzten Jahren der deutſche Valutazerfall so raſch,
daß die Preiſe in Deutſchland ſich garnicht mehr schnell genug dem veränderten Außen-
wert der Mark — dem Dollarkurs, um den bekanntesten Wertmesser zu nennen – an-
paſſen konnten. Im Saargebiet beſtand dieſe Spannung zwischen Inlands- und Aus-
lautswert der Mark (welche bekanntlich die Konkurrenzfähigkeit deutſcher Produkte
im Ausland sehr begünſtigte), ich ſage, diese Spannung bestand bis zur Einführung des
Franken als alleingültiges Zahlungsmittel ebenfalls, aber ihr Grad war bedeutend
geringer und nahm in dem Maße ab, als der Franken vordrang. Warum? Weil infolge
chung, zwvithen Fronkyalits und Preisen entſtand, die ſsſich zeitlich ſchneller als in
1tſ auswirken konnte.
Die Frankenempfänger, die bei jedem Markſturz große Mengen ihres Geldes zu
Verbrauchszwecken in Mark umtauſchten, hielten immer den jeweiligen Außenwert der
Mark in Händen, mit dem sie als kaufkräftige Verbraucher auf dem Markt erschienen.
Die natürliche Folge ihres ſtarken und bei jedem Markſturz automatiſch weiter an-
wachſenden Markangebotes war wiederum nach der Preisregel von Angebot und Nach-
frage eine Steigerung der Preise Deutschland gegenüber – Ueberteuerung!
s des frangöſiſchen Geldes in das Saarwirtſchaftsleben eine direkte Be:
Einen zweiten, auf die Dauer noch folgenschibereren Impuls, erhiell die von Deutſch-
land abweichende Entwicklung der Preisverhältniſse durch die Preisfestsetzung für zahl-
reiche Bedürfniſſe in Franken: so ſchon 1920 für Kohlen, im Mai 1921 für Bahn,
Poft und Telegraph, weiterhin, ein Jahr später einsetzend für tägliche Bedarfsartikel,
in den erſten Monaten von 1923, dann akut um ſich greifend und mit der allgemeinen
Frankeneinführung am 1. Juni 1923 zum AÄbſchluß kommend. Folgenſchwerer war dieser
zweite Impuls in seiner Wirkung auf das Preisniveau, weil die Frankenpreise un-
mittelbar und augenblicklich den jeweiligen Markkurs angzgeigten, sodaß die oben
beſprochene und für Deutſchland typiſche Spannung zwischen Innen- und Außenwert
der Mark nicht mehr zur Entstehung kommen konnte. Kvstete also beiſpielsweife die
Jahrt 4. Klasse von Saarbrücken bis zur Saargebietsgrenze 3,20 Franken, so machte -.
das im Oktober 1921 bei einem Kurs von 1 Franken = 10,80 Mk. 34,56 Mk. aus.
einen Monat später bei dem Kurs von 18,86 Mk. koſtete sie ſchon 80 Prozent mehr.
Und so war es mit allen Dingen, die in Franken bezahlt werden mußten.
Daher zeigt Bild 1 denn auch bei dem Markſturz im November 1921 eine scharfe
Auswärtsbewegung der Ueberteuerungskurve, dasselbe Schauſpiell wiederholt sich in
gleicher Schroffheit bei dem im August 1922 (Oberschlesien verloren, Rathenau-Mord!)
einſetzenden und bis Mitte Dezember anhaltenden Markſturz von 1 Franken 2 40 Mk.
im Juli auf 543 Mk. im Dezember, in welchen Monaten sich der Markkurs fast in
ſetetricher Prqgreey ſerſehlechterte: Die Auswirkung dieser Depression auf die Preise
aßt sich vom Bil eſen.
Gine eingehendere Zergliederung der Ueberteuerungserſcheinung müssen wir uns an
dieser Stelle leider versagen; ich fürchte ohnehin, ſchon zu ausführlich gewesen zu sein.
Cs sei nun noch darauf hingewiesen, daß die Aufwärtsentwicklung der Kurve in
solchen Monaten eine Abſchwächung bezw. Umbiegung erfuhr, in denen die Mark
ſtabil war oder ſich besserte (Dezember 1920 bis Januar 1921, April bis Mai 1921, März
bis Juni 1922), sodaß die Teuerung in Deutſchland den Vorsſprung einholen konnte.
Die Entwicklungstendeng im ganzen – und dies iſt entscheidend – war ſeit Ein-
dringen des Franken ſteigend; sie wird es auch weiterhin bleibey, bis
das franzöſiſche Preisniveau, auf das wir ſeit langem ghina-
geſteuert werden, erreicht iſt. Was uns in dieſer Beziehung noch
bevorſteht, vermag besser als Worte Bild I1 zu sagen, welches nach
Berechnungen des Vorſitenden der Oberpreisprüfungskommission und Saarbrücker
Stadtverordneten, Herrn Herzberg, entworfen ist. Ich fürchte, daß denjenigen.
die vielleicht Freude am Franken hatten, die Augen in nächſter
Zeit nochübergehen werden.
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