Saarkalender für das Jahr 1924.
griff, je den Feind geſichert ſfein
w e r d e. Darauf gab der Prinzregent die Zu-
ſicherung, daß eine abermalige Trennung der
Städte von dem deutſchen Vaterlande mit
seinem Willen niemals ſtattfinden werde.“
Nach dieſer Versicherung war es um so auf-
fallender, daß im folgenden Jahre eine an-
geſehene französſiſche Zeitung, die „Opinion
nationale", die Abtretung der Saarbrücker
Kohlengruben an Frankreich forderte. „Wir
bedürfen des Kohlenbeckens von Saarbrücken,“
hieß es in der Zeitung, „das bestimmt iſt, Loth-
ringen, Elſaß und unsere norddeutſchen De-
partements mit Kohlen zu versorgen. Die
wahre Friedenspolitik beſteht darin, einer
Nation das nicht zu verweigern, was ihr die
Natur selbſt beſtimmt hat. Saarlouis, Saar-
brücken und Landau sind durch eine gehäſſige
Verlezung der feierlichſtten Verpflichtungen
Frankreich entriſſen worden.“
Die „Saarbrücker Zeitung“ brachte hierauf
eine kräftige Erwiderung, in der die geſschicht-
lichen Behauptungen der französſiſchen Zeitung
widerlegt und versſichert wurde, „daß eine feind-
liche Absicht auf jeden Zoll deutscher Erde nicht
bloß zu einem dynaſtiſchen Kriege mit Preußen,
sſondern zu einem K am pf e auf Leben
un d To d mit d e m deut ſchen Volke
führen werde.“
Die Beunruhigung in Saarbrücken erneuerte
sich im Jahre 1866, als die Zeitungen die Nach-
richt brachten, Preußen wolle die Kohlenberg-
werke an der Saar für 100 Millionen Taler
für freie Hand in Schleswig-Holstein an Frank-
“ reich abtreten. Die Stadtverordneten-Versamm-
lungen von Saarbrücken und St. Johann rich-
teten alsbald in einer Eingabe an den König
die Bitte, durch sein königliches Wort diese Be-
fürchtungen für immer zu heben, da eine solche
Veräußerung in wir tſchaftlicher sowie
in sſtttlicher und nationaler Be -
zie hung für die hieſige Gegend
und ihre d urch un d durch deut ſch
Q e ſinnte Bevölkerung verhäng-
nis v o ll sein würde.
Die Besorgniſſe der Saarbrücker verstärkten
ſich, als sich die Nachricht verbreitete, Napoleon
habe in Auxerre geäußert, daß er die Verträge
von 1815 verabſcheue, und die Aufregung legte
sich nicht eher, als bis die Regierung im Ab-
geordnetenhauſe erklären ließ, daß sie nicht die
Absicht habe, über den Verkauf der Saargruben
zu unterhandeln. ;
Bald nachher brach der öeutſche Krieg
Zwiſchen Preußen und Oesterreich aus, bei dem
Napoleon in berechnender Neutralität ver-
\
harrte. Als aber Preußen den Krieg ſiegreich
beendigt hatte, verlangte er eine „Kompen-
sation“ für die Vergrößerung Preußens und
eine Entſchädigung für seine wohlwollende Hal-
tung während des Krieges. In dem Entwurf
eines geheimen Vertrages, den der Botſchafter
Graf Benedetti dem Grafen Bismarck über-
reichte, wurde die Forderung aufgestellt: „Das
franzöſsiſche Kaiserreich tritt wieder in den
Besitz der Gebietsteile, welche, heute zu Preußen
gehörig, im Jahre 1814 in die Begrenzung
Frankreichs eingeſchloſſen waren“, das heißt,
Frankreich verlangte das Saar-
g e b i e te Aber dieſe Forderung wurde von
Bismarck entſchieden zurückgewieſen, und
Napoleon hielt es für gut, davon abzuſtehen.
Im Jahre 1870 gedachte Napoleon ſſeine
Pläne mit den Waffen durchzuſezen, und im
Falle der deutschen Niederlage wäre das Saar-
gebiet sicher der Siegespreis für Frankreich ge-
worden. Die deutſche Gesinnung der Saarbrücker
Bevölkerung hat ſich damals im glänzendſten
Lichte gezeigt und auch die verdiente Anerken-
nung gefunden.
Die Darstellung Ferrys über die Entwicklung
des Saargebietes seit dem Jahre 1815 ist alſo
durchaus tendenzióss. Er wärmt überdies noch
die geſchmackloſe Fabel Clemenceaus von den
150 000 im Saargebiet ſeßhaften Franzosen,
„Franzoſen nach Geburt, Bildung und Herzens-
neigung“ wieder auf. Für ſsolchen Schwindel
haben wir nur Verachtung.
Nach 43 für das Saargebiet ſegensreichen
Friedensjahren brach der Weltkrieg aus, deſsſen,
durch Nordamerikas Auftreten unglücklicher
Ausgang das Saargebiet so ſchwer getroffen
hat. Aber der deutſche Sinn der Bevölkerung
wird auch dieſe Prüfung bestehen, zumal wenn
das Mutterland sie in ihrer Not nicht im Stiche
läßt. Der vorſtehende Blick auf die Geſchichte
des Saargebiets zeigt klar, daß die französischen
Anſprüche auf dieſes deutſche Land völlig un-
begründet ſind und als üble Geſchichtsklitterung
erſcheinen. Mögen auch, „der Not gehorchend,
nicht dem eigenen Triebe“, einzelne unserer
kleinen Fürsten hin und wieder mit dem mäch-
tigen Frankreich wenigstens geliebäugelt haben,
das V olk h at es nie getan. Land und
Leute sind ſeit mehr als tausend Jahren kern-
deutsch, sie ſind es immer geblieben, sie ſind es
heute noch und werden in alle Zukunft in
Deutschland Heimat und Vaterland verehren
und wie im Glück auch in tiefster Not unver-
brüchlich die Treue halten,
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