Saarkalender für das Jahr 1924.
müſſen, zu außlernung seines Handwerks auf
zwey Jahr angenommen undt aufdingen laſſen.
HWie nun gemelter Lehrjung seine Geburtsbrief
bengebracht und in die Lade gelegt worden, und
man übrigens noch zur Zeit von übelem Ver-
halt nichts erfahren, als iſt ihm dieses ad
interim, auch daferne nichts unEhrliches er-
wieſen werden wirdt, Zunftmäßig und billig
erlaubet worden.
Diebolt Siedter. H. Happelmeier.
Daniel Mertz, Zunftmeiſter. OberZunftmeiſter.“
Dieſer „Lehrjung“, der ſchon in Kriegs-
dienſten war, muß ſich die zwei Jahre ſeiner
Lehrzeit nach Wunſch betragen haben, denn
„1733 den 23 O9bris ließ Meister Theobald
Sitter seinen Lehrjung Joſef Philipp Woyt von
Ottweiler ebenfalls ledig ſprechen, deme man
dann auch ſeine anfangs der Lehre in die Lade
gelegte geburtsbrieff wieder zurückgegeben.“
Und im Jahre
„L7T73 den 24. Sbris ließ Meiſter Friedrich
Krantz dahier einen Lehrjungen nahmens Jo-
hann Philipp Lichtenberger, weyl. Evgl. Pfar.
Lichtenberger zu Neunktkirch ehel. Sohn für 3
Jahre aufding und einſchreiben.“
Kein Meiſter durfte einen Geſsellen einſtellen,
der zit zünftig gelernt hatte. Ich finde dafür
ein Beiſpiel:
„L779 den 17. Februar wurde Jakob Schiel
von Güdingen, welcher zu Rulingen des hohen
Teutſchen Ordens I uri s dic ti o n gebürtig
iſt, mithin eignem Geſständniß nach nicht zünftig
gelernet hat, auf ein producirtes gndgſtes
D e cr e t vom 15. Xbris 1774 heute bey der
Ehrſamen Schreiner Zunft dahier als Lehrjunge
zugleich aufgedingt und in Qualität eines Ge-
ſellen ausgeschrieben und Losgeſprochen.“
Das Geſellenweſen war ſehr ſtreng geregelt:
kein Meiſter durfte mehr wie drei Gesellen und
nur einen Lehrling halten; keiner durfte dem
anderen einen Geſellen abſpenstig machen oder
mußte der Geſelle bei den Meiſtern „umschauen“,
d. h. nach Arbeit fragen. Fand er irgendwo Ar-
beit, ſo mußte ein, etwa anderntags zugereisſter
Geselle, bei dem nicztfalsenven Meister mit der
Umschau beginnen. Besondere Fürsorge wurde
den Meiſsterswitwen, die das Geſchäft ihres
Mannes weiterführten, zuteil. Der zweiund-
zwanzigſte Artikel der vom Fürsten Wilhelm
Heinrich 1744 herausgegebenen Zunftordnung
behandelt. dieſe Materie erſchöpfend. Es heißt
dort: „Zweyundzwantzigsſtens, denen Wittiben
ſolle das Handwerk solange sie alſo bleiben und
nicht wieder aus ihres verſtorbenen Mannes
prokession Heurathen nach Ihrem Vermögen
zu treiben, auch von einem anderen Meiſter
einen Gesellen, der das Handwerk wohl ver-
ſtehet, zu begehren, frey und erlaubt seyn, ohne
solches verſagen zu dürfen. Hätte eine Wittib
einen Lehrjungen so nach ihres Mannes Todt
die halbe Lehrzeit noch nicht ausgehalten, soll
'ſie solchen in selbigem Gedinge einem anderen
Meister übergeben. Hätte er aber die halbe Zeit
ſchon bey dem verstorbenen Meister gelernt, so
ſoll der Wittib freyſtehn, solchen zu behalten
und unter anführung ihres Gesellen Auslernen
zu laſſen, wofür die Zunft allerdings zu sorgen
hat. saß der Lehrjunge sein Handwerk recht
slernt.“
einen von der Herberge wegnehmen. Vielmehr -
In der Tat finden wir auch im Protokollbuch
der Innung mehrere ,„Wittiben“, die von dieſem
Recht Gebrauch machen. So z. B.
„1751, den 19.ten Aprill ließe Meiſter Caspar
Pitz von hier des ſchon einige Zeit abwesenden
Meiſters Johann Nickel Hinkelmanns von
St. Johann Sohn nahmens Johann Jakob auf
drey Jahr, mit dieſer Bedingung auf das Hand-
werk einſchreiben, das des Jungen Großmutter
Frantz Wittmers Wittib zu St. Johann dem
jungen, als ihren Enkel in ihrer Werkſtatt bey
einem guten Gesellen, welchen sie jedesmahl zu
halten verſprochen zu lehre anhalte laſſen, und
Meister Pitz je zu Zeiten darnach ſehen wolle,
ob der Jung behörig unterrichtet werde. Dabey
aber mit Bewilligung der E. E. Zunfft aus-
behalten worden, daß fals beim dieser Lehrzeit,
des jungen Mutter oder Großmutter ſterben
sollte, Meiſter Pitz ſchuldig seyn ſolle, dieſem
Jungen ob er gleich einen anderen bereits in der
Lehre haben ſolle, (Meiſter Pitz nämlich) gegen
Entrichtung des pro rata der lehrzeit ausmachen-
den lehrgeldes, welches in summa ad 30 fl. aus-
gehalten worden, vollens auszulernen verbun-
den seyn ſolle.
Der Bürg iſt des Jungen: Mutter und Groß-
mutter.“
Finden wit hier gleich zwei Frauen, die das
Geschäft weiter betreiben, sſo finden wir aber
auch andererſeits Frauen, beſonders auf dem
Lande, die sich aus der Zunft „austun“ lassen.
So heißt es im Jahre
„LT7T1 den 8. April dem Jahrtag ließe ſich
weyl. Nickel Hammen eins zünftigen Mitmeiſters
der Schreiner Zunft Wittib Maria Catharina von
Wehrden mit renunciation auf das Zunfktrecht
aus dem Zunftbuche aussſtreichen, kraft ihres
Handgeichens ; t
M. Cath. f (Handgzeich.) Hammen.“
Der hier erwähnte Jahrtag, an welchem ſämt-
liche Meister teilzunehmen gehalten waren, fand
jeden ersſten Montag nach Oſtern ſtatt. Hierbei
wurde der Zunftmeiſter „nach der Tour“ gewählt,
d. h. in der Reihenfolge des Alters. „Zunft-
knecht“ wurde der zuletzt eingeſchriebene Meister,
alſo der Jüngste unter ihnen. Ihm fiel die Stel-
lung etwa des heutigen Vereinsdieners zu. War
kein Jungmeiſter neu eingeschrieben worden, ſo
blieb der Jungmeister des vorigen Jahres Zunft-
knecht. Die Stellung war aber nicht etwa mit
Einnahmen verknüpft, ſondern beide, der Zunft-
ntiſter wie der Zunftknecht mußten noch be-
zahlen: j
sgt!e ab -Kommende Zunftmeiſter
zu erlegen
7 Alb 4 Z
der alte Zunfft Knecht T. & '.
der neue Zunfft Meiſter 15 „~
und der Neue Zunfft-Knecht T âi. vr
| 1 fl. 7.Alb 4 Z
halb uns und halb der Zunfft. Ein jeder Zunfft-
Bruder iſt schuldig auf dieſen Zunffttag alles
dasjenige anzuzeigen, was er von seinen Mit-
meistern ſtraffälliges und gegen diese Articul
laufendes weiß, bei Vermeidung uſw.“ j
Ferner wurden auf diesen Zunfttagen die
jungen Meister und Lehrlinge aufgenommen und
die Zunftgelder – vertrunken. Es müssen kern-
feſte Trinker gewesen sein, die Zunftbrüder der
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