Saarfalender für das Jahr 1923
Weine Stadt am Abend.
Gedanken auf der Winterberghöhe. Von L. Bruch.
us dem hereinbrechenden Dunkel ſteigt ſie vor mir auf, geheimnisvoll und geſpenſter-
haft. - Die Türme und Zinnen re>en ſich alltag8müde ins graue Nichts und ſpielen
mit huſchenden Schatten. Von den Bergen jenſeits des Fluſſes ſteigen die Boten
der Nacht zu Tal, düſtere Schleier über Stadt und Menſchen zu werfen. Aber wie ſehr
jie ſich auch eilen und mühen, das Silberband des Waſſers trotzt den finſtern Geſellen,
und nur unwillig entſc<hlüpfen ihm die Silhouetten der Brücken, die gleißende Lichtkugeln von
hüben nah drüben tragen. Und gleichjam, als wollte der Tag noch einmal in prächtiger Majeſtät
jein Zepter ſchwingen, tanzen Feuerbänder in leuchtenden Farben auf dem Waſſer, bliht unten im
Tale Licht an Licht leuchten funkelnd ungezählte güldene Sterne. Schelmiſch blinzeln die grünen,
gelben, roten Nixenaugen zum ſtillen Auslug herauf, um nur dann und wann der kriechenden
und ziſchenden Feuerſchlange drüben am Berge zu folgen, die eine neckiſche Spukhand oft den
Blicken entzieht. Während däs Auge den Zauber dieſes traumſchönen Spieles zu erhaſchen
ſucht, bäumt ſich das ſterbende Leben im Tale noch einmal gegen die würgenden Mächte: Straßen-
bahnen kreiſchen, Autos knattern, heulende Sirenen und ſchrille Pfiffe wecken das Echo der Berge
=- dann wird es ſtill -- ganz ſtill.
Nur als letzter Ausklang einer Energie von 100000 Schaffenden und Hoffenden, deren Herzen
da unten dem neuen Tag entgegenſchlagen, tönt das Hämmern und Stampfen eines Werkes
nimmermüde durch die Nacht, während. blutrote Feuerwellen hinaufflackern zu den Sternen. == =-
I< liebe dieſe Stadt! Und wo ſäße ich lieber als unter den ſingenden Tannenwipfeln, die
hoch über dem Häuſermeer ſich im Abendwinde wiegen. Raunen und flüſtern ſie, dann träume
ic<h. Warum, meine Freunde, ſagt ihr, daß ſie keine Poeſie habe, unſere Stadt. Von Steinhaufen
und Kaſernen redet ihr, von E>en und Winkeln und rauhen Höfen, wo nimmer die Sonne wohne
und das Licht und die Luft. Warum nennt ihr die Stadt einen düſteren Koloß, eine ſtampfende
Maſchine ohne Seele, ein lebendiges und doch totes Ungeheuer ? Steigt zu den Tannen des
Winterberges empor, damit ihr die Seele eurer Stadt und ihre Poeſie am Abend fühlt.
Aber nicht darum allein ſollt ihr hinaufſteigen. Denn die Stadt iſt euch mehr als ein Ort,
wo ihr Wohnung und Nahrung findet. Sie iſt euch Heimat, ſie iſt der Väter Gut und euer Erbe.
Die Nacht liegt auf dieſer Stadt! Aber hinter den Bergen lauert der Tag, und wie
die Lichter und die Sterne das nächtliche Dunkel durchdringen und an die Wiederkehr der Sonne
mahnen, ſo ſoll aus dem Abendtraum euch unverſiegbare- Hoffnung erwachſen für euch und eure
Stadt und für die Berge und Wälder zu euren Füßen. Und tiefe Wurzeln muß dieſe Hoffnung
in eurer Heimat ſchlagen, denn über ſie hinweg trägt der liſpelnde Wind die Gedanken zu jenem
unermeßlich großen Weben und Wirken, deſſen Pulsſchläge wir fühlen und mitempfinden, zu jenem
heiligen unvergänglichen Gute, dem unſere Sehnſucht und Liebe gilt: Deutſchland !
=<J&
Sunnegruß for Saabrigge.
Wann ih omens fertig lin
Mit der Aarwet in'm Raus,
Buck ich mich an's Finichter hin,
Gudke voll Gedanke naus.
Gudke iwer's griine Feld,
Wo ſich weit un flach hinzieht,
Gudße, wie am Himmelsrand
Feierlich die Sunn verglihf.
Franzburg i. Pommern
Un do wan're gäre dann
Die Gedanke weichtwärts [o,
Adh, do driwwe muß Saarbrigge
Leie jo doch irgendwo!
Unſer Raus, das guckt genau
Grad hieher no ODidite hin,
Wie mei Leit am Finidhter ſtehn,
Denk ich grad, das mißtidh ſiehn.
20
Adh, du liewi treii Sunn,
Du bilcht oft ichun Bot gewä'n,
Bring Du aa for mich emol Griiß
Dorthin mit Imnelle Bään!
GriißSaabrigge, griiß mei Liewe,
GriiB 's ganz Saabrigger Land,
Un wann morje du duſcht Icheine,
Sä'ns mit deiner Sirahlehand!
Friedrich Schön.
Kommen