Saarfalender für das Jahr 1923
nannt wurde und in den Beſitz verſchiedener
Geſchlechter kam. Bei einem Streit zwiſchen
dem Erzbiſchof von Trier und dem Herzog
von Lothringen, der den [luxemburgiſchen
Anteil des Saargaues erworben hatte, wurde
die Burg von dem berühmten Erzbiſchof
Balduin belagert und nach tapferer Gegen-
wehr im Jahre 1351 zur Uebergabe ge-
wungen. Balduin ließ die Burg zerſtören.
Im Jahre 1368 einigten ſich der Erzbiſchof
Kuno von Trier und der Herzog von Loth-
ringen über . den gemeinſchaftlichen Beſitz
des Burgberges. Die Burg wurd2 in den
Jahren 1434-1439 dur<h Arnold von Sirk
wiederaufgebaut; im 17. Jahrhundert ver-
fiel ſie, und ihr Wiederaufbau wurde ver-
boten.
Im Jahre 1485 wurden die beiderſeitigen
Rechte im Saargau zwiſchen Trier und Loth-
rängen näher feſtgeſetzt, und. im Jahre 1620
wurde endlich ein Vertrag geſchloſſen, der
mehr als 150 Jahre lang die: Grundlage aller
öffentlichen Rehtsverhältniſſe im gemein-
jhaſtlichen Hochgericht Merzig-Saargau gez-
blieben iſt. Es fehlte troßdem nicht an
„Miſſeln“, namentlich über die Abtswahl in
Mettlach, bis im Jahre 1778 dex gemeinſame
Beſitzt nach dem Lauf der Saar getrennt
wurde, ſodaß das linke Ufer zu dem
ſeit dem Jahre 1766 mit Frankreich ver-
einigten Herzogtum Lothringen, das rei»
15 zu Kurtrier gehörte. Durch die Friedens5-
ſchlüſſe von Campo Formio (1797) und
Luneville (1801) wurde der Saargau wie
das ganze linke Rheinufer mit der fran-
zöſiſchen Republik vereinigt. Durch die
Friedensſchlüſſe von Paris (1814/1815) wurde
der Saargau am Preußen abgetreten und
bildete ſeit dem Jahre 1866 als Kreis
Merzig einen Teil der preußiſchen Rhein-
provinz. Im Jahre 1876 wurde die
große Provinzial-Heil- und Pflegeanſtalt ge-
baut. Von induſtriellen Unternehmungen iſt
beſonders die Terrakottafabrik von Villeroy
und Boch zu nennen. Durch den Frieden von
Berſailles (1919) wurde der ſüdweſtliche Teil
des Kreiſes Merzig auf 15 Jahre unter die
Verwaltung des Völkerbundes aeſtellt.
5. Stadt und Kreis St. Wendel.
Die Stadt St. Wendel führt ihren Namen von
dem heiligen Wendelinus, der ein ſchottiſcher
Königsſohn geweſen ſein ſoll und im 6. Jahr-
hundert ſi als Einſiedler an der Stelle
niederließ, die ſeitdem St. Wendellins-Kir<h-
hof genannt wurde und ſic zu einem Dorf
ausbaute. Die Grafen von Saarbrücken ex-
warben im 13. Jahrhundart Beſik in dem
Dorf St. Wendel. Im Jahre 1328 verkaufte
Graf Johann 1. von Saarbrücken ſein feſtes
Haus und: alle ſeine Rechte in St. Wendel
für 2000 Pfund an den Erzbiſchof Balduin
von Trier. der dem Orte im Jahre 1332
Stadtrechte verlieh und die Stadt St. Wendel
zum Siße eines Amtes machte. Jm Jahre
1522 wurde St. Wendel von Franz von
Sickingen eingenommen. 1798 wurde St.
Wendel von franzöſiſchen Truppen beſezt und
1797 mit Frankreich vereinigt. 1815 wurde
das Gebiet von St. Wendel als Fürſten-
tum Lichtenborg (nach der Burgruine Lichten-
berg genannt) an Sachſen-Koburg abgetretzn.
Im. Jahre 1835 erwarb Preußen das Fürſt2i1-
tum durch Kauf und bildete daraus den Kreis
St. Wendel, deſſen ſüdweſtlicher Teil mit Ier
Stadt St. Wendel jezt zum Saargebiet ge-
hort. Das Wahrzeichen von St. Wendel iſt
die dreitürmüge gotiſche Kirche der Katho-
Lichen Gemeinde.
6. Die geiſtlichen Stiftungen.
a) Das Stift St. Arnual.
Im Anfang des 7. Jahrhunderts baute der
Biſchof Arnualdus von Meß hier eine Kirche,
in der er beſtattet wurde. Odoak 2r, Graſ des
Bliesgaues, baute um das Jahr 900 eine
neue Kir<e und richtete ein Kollegiatſtift
von Kanonikern nach der Regel des heiligen
Auguſtinus ein. Die Grafen von Saarbrücken
erwarben die Schirmvoagtei über das Stift.
ſnneres der Stiftskir<e in St. Arnual.
Um das Jahr 1300 wurde die jetzige Kirche
im gotiſchen Stil gebaut. Die Stiftsherren
verſahen 7 Pfarreien der Umgegend. In der
Kirche wurden von dor Mitte des 15. bis
zum Anfang des 17. Jahrhunderts die
Grafen und ihre Familienmitglieder, die
hohen Beamten auch noch ſpäter beſtattet.
Die wiederhergeſtellten Grabmäler ſind in
geſchichtlicher und künſtleriſcher Beziehung
bemerkenswert. 1569 wurde das reid-
begüterte Stift von dem katholiſchen Grafen
Johann IV. von Naſſau-Saarbrücken auf-
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