Saarkalender für das Jahr 1923
vom alten Buchta. Wer ſollte ihn nicht noch kennen, den alten Buchta! Er lebt wohl, wie
bei mir, in aller Erinnerung. J< ſehe ihn noch immer durch die Straßen ſchlendern, im Arm
ein Notenbündel, auf dem glaßereichen Kopf die unvermeidliche Militärvereinzmüße. Mit be-
ſonderer Vorliebe ſtand er, in ſtille Betrachtung verſunken, vor den Auslagen der Lebensmittel-
geſchäfte und ſtudierte die Preiſe für Kaviar und Hummern. Auch den Wochenmarkt beſuchte er
fleißig, erkundigte ſich nach dem Koſtenpunkt der ſchönen Früchte, und dies zu wiſſen, befriedigte
jeine Genügſamkeit. Wann es galt, einer Geſellſchaft zum Tanz aufzuſpielen, war er mit der
Fiedel unermüdlich. Einmal hatte er ſich aber bereits zur Ruhe gelegt, als. er von der Straße
her durch ſeine Kollegen gewe>t wurde: „Buchta, ſteh' uff, wir ſolle ſpiele!" „Nit vor e
Million!“ war die entrüſtete Antwort. „Geh', kumme ſc<hnell, m'r werre de Omend freigehall
und jeder grieht noc< fünf Groſche !" „Wart doch nure“, ruft er freudig erregt, „ich kumme jo
af 1" Wenige Augenblike ſpäter erſchien er mit der Fiedel in der HauStüre.
Der Lord von Shwalba<. Zn einem Wirtshauſe zu Schwalbach im Kreiſe Saarlouis ſtieg vor
einer Reihe von Jahren ein ſogenannter „beſſerer Herr“ ab. Er war nachläſſig vornehm ge-
fleidet, trug eine wohlgefüllte Geldbörſe bei ſich und ſprach vor allem kein Wort Deutſch. Es
braucht ja überhaupt niemand eine fremde Sprache zu erlernen, ſo lange er ſich mit dem Geld-
beutel perſtändigen kann. Nachdem ſich der reiche Fremde 14 Tage hindurc< allſeits hatte be-
wundern laſſen, traf es ſich, daß der Zufall einen Engländer geſchäftlich nach Schwalbach führte.
Die Herren unterhalten ſich, ſprechen einige Worte miteinander, und der Lord reiſt Hals über
Kopf davon. Er hatte nämlich geglaubt, er ſei in Bad Schwalbach.
Wirklich tot. Sulzbacher Handwerker ſaßen einmal beim Dämmerſchoppen im „Nähkörb<en“
und hatten gerade die Rede davon, daß „Dürmel3 Valtin“ (ein bekannter Kohlenfahrer) geſtorben
und auf ſeiner eigenen Hundefuhre heimgebracht worden ſei. Der als Original bekannte Sanitätsrat
Dr. Languth hörte beim Eintritt ins Wirt8zimmer gerade noch das Wort „fahren“. „Ach was,
fahren, fahren“, rief er, „ich konnte mein Lebtag das Fahren nicht vertragen, ich will auch nach
meinem Tode nur auf „de Juddeflur“ (Gegend des Sulzbacher Friedhofs) getragen werden.
Da meinte der Gypſermaß, ob denn der Valtin wirklich tot ſei, es ſeien ſchon manchmal Leute
ins Leichenhaus gebracht worden, die nur die „Fallende“ etwas zu ſtark bekommen hätten. Und
Baume Louis ſprach ſogar die Befürchtung aus: „Wenn ich nur die Gewißheit hätte, daß ich
wirklich tot wäre, wenn ich einmal geſtorb bin". =- „Sie können alle wirklich beruhigt ſein,
eike Derren: ſagte darauf der Sanitätsrat, „wer bei mir in Behandlung iſt, der iſt zum Schluſſe
irflich tot
Wir lernen fürs Leben. Zu einem Altphilologen, einſt bekannt und verhaßt, weil er allen
Primanern, die nicht für Latein und Griechiſch ſchwärmten, beim Schlußexamen mit Vorliebe
ein Bein ſtellte, kommt Frau G.: „Herr Profeſſor, ich möchte meinen Jungen von der Schule
nehmen und in3 praktiſche Leben ſtecken, er hat dafür mehr Neigung, als für alte Sprachen“.
Der geoſeſſor: „I< kann Jhnen nur ernſtlich davon abraten, ex lernt. im nächſten Jahre im
Griechiſchen die unregelmäßigen Verba auf mi, damit hat er doc<h etwas für's Leben!“ --
I< bürge für die Tatſache dieſe Vorgang3. Al3 ich ihn erfuhr, habe ich Tränen gelacht und
wollte mir ſchon eine griechiſche Grammatik hervorſuchen, um mich für das weitere Leben erneut
vorzubereiten, aber das Leben ließ e8 mich vergeſſen.
Das ſpottluſtige Saarbrü>en. Der ſeiner Natur nach lebhafte Saarländer zeigt häufig einen un-
abweisbaren Hang zur Spottluſt. So wurden von jeher die Lothringer wegen ihrer geiſtigen Schwer-
fälligfeit von den Saarbrückern gerne gehänſelt. Hier ein Beiſpiel der Wertſchäßung unſerer Nachbarn.
Eine Bäuerin aus Spichern kommt in die Schloßapotheke zum alten Koch, der in ſeiner Apotheke eines
der befannten Eichhornkäſthen hat, das das an den Sproſſen kletternde Tierchen in rotierender Be-
wegung hält, „Was han Jhr denn do in dem Kaſchde?“ „„Da ſitt ein junger Proviſor drin!"
„Veſſes, Jeſſe3, was macht dann der do?" „„Ach!"“" ſagt Koch gelaſſen, „„der dreht Pillen!“"“ Kopf-
Ihüttelnd verläßt die Bäuerin da8 Lokal. Nach zehn Jahren kommt ſie wieder einmal in die Schloß»
apotheke, in der zufällig ein Proviſor bedient, der rote Haare und einen voten Schnurrbart hat. Die
gute Frau ſieht ihn lange Zeit ſprachlos an. „Was gloßen Sie mich denn ſo dumm an?“ fragt er
verärgert. „Ooch!! Jhr han Eich awwer guat erausgemacht!" „Kennen Sie mich denn?“ „Ei, nadierlich
Schun vor zehn Johr, wie Jhr noh in dem kleene Kaſchde erumgehupſt ſin und Pille gedreht han !
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