Saarfalender für das Jahr 1923
Aus der guten, alten Zeit. Das Kaſino in der Alleeſtraße iſt 1796 gegründet worden. Am
1. September 1896 beging man das 100 jährige Stiftungsfeſt. Aus dieſem Anlaß erſchien eine
kleine Schrift, die nat meiner Erinnerung Profeſſor Dr. Krohn verfaßt hat. Er erzählt in dem
Büchlein von dem Kaſinoleben in alter Zeit. Solidität war der Grundzug der Bevölkerung;
die reichen Kreiſe bildeten keine Ausnahme. Etwa um die Zeit der 30er Jahre des vorigen Jahr-
hunderts „tranken im Kaſino viele alte Herren nur Zuckerwaſſer ; einer der reichſten“, ſo heißt
es in der Feſtſchrift, „ließ ſich jeden Abend ein Glas Zuckerwaſſer für einen Silbergroſchen reichen
und zahlte am Ende das Jahres 12 Taler dafür“. Von einem andern ſehr reichen Herrn wird
überliefert, daß er beim Eintritt ins Kaſino der Wirtſchafterin zurief: „Lor<e, ein Glas, eine
Raſche Waſſer, ein Löffelche", dann nahm er Zucker aus der Taſche und bereitete ſich ſelbſt das
ukerwaſſer. =- Nach einem Balle tranken junge Leute zuſammen ein paar Flaſchen Wein,
zu 10 oder 12 Perſonen 3 Flaſchen. Ein alter Herr ſah in das Zimmer und ſagte: „Na, na,
das wird ſchön!" Am andern Morgen beſuchte er einen der Väter auf dem Kontor : „J< habe
die jungen Leute angetroffen, wie ſie ganze Flaſchen auf dem Tiſche hatten. Was ſoll aus den
jungen Leuten werden!" Herr P. kam 1837 hierher; er erzählt: „um 8 Uhr war alles fort, ich
mit einem jungen Juriſten ſtets allein!“ Als der ſpätere Landgericht3präſident K. als Aſſeſſor
von Trier nach Saarbrücken verſetzt wurde, beſtellte er ſich einen Schoppen beſſeren Wein, da
meinten die alten Herren: „Wenn ex ſo luxuriös lebt, wird er keine Hieſige zur Frau bekommen.“
= Ein Saarbrücker, der 1849 nach Saarbrücken zurückkam, berichtet: Noc< 1849 wurde meiſten3
Zu>erwaſſer getrunken; die lange Pfeife ſpielte eine große Rolle; „Hotkriegsrath“ wurden die
alten Herren genannt. Von einem Juriſten wurde die Geſellſchaft folgendermaßen beſchrieben:
Es ging jehr ſteif her, kaum wurde ein Wort geſprochen, von Gemütlichkeit konnte keine Rede
ſein, die alten Herren kamen und gingen auf die Minute, um 2 Uhr war am Nachmittage, um
8 Uhr am Abend alles zu Ende. -- Die Tanzvergnügungen waren außerordentlich einfach. Eine
Dame erzählt vom Jahre 1832: „Jeden Sonntag war Tanz, mit Au8nahme der Sonntage vor
einem Balle. Mit 16 Jahren gingen die jungen Damen hin; ſie trugen einfache Kattunkleider
für 3 Taler, keine Blumen auf dem Kopfe, auf der Stirn Stirnbänder mit goldenem Sc<loß.
Mandelmilch wurde gereicht; um 8 Uhr war der Tanz zu Ende. Die älteren Damen ſaßen auf
einer Eſtrade. Die meiſten ſtrikten, einige ſpielten Whiſt.“
„O, ſchöne Zeit, o, ſel'ge Zeit,
Wie liegſt du fern, wie liegſt du weit!“
ergangene Zeiten. Von Herrn Carl Shumann- Saarbrücken wird mir aus dem Jahre 1631
ian ſtehendes Aktenſtü>k 4 Heren Carl geſtellt: „Wegen daß Kloken ambt daß iſt hipr zu hein
nami ſimmern (bei Kirn a. d. Nahe) die gerechtigkeit, daß daß Klo> ambt von der gemeind
dibentirt und nicht zur Schull gehört, ſondern die Gemeindt kann es einem geben, wein jr. 1 i i
den es gehet an die Weynachten, ſo ſindt die ſjc<huhlmeiſter verpflicht alle Jahr auf en 3 ei en
weynachtstag nach der vormittags Kirch dem Gericht den Kirc<henſchlüſſel unter daß Rath Faus
U bringen und zu fragen, ob er ihnen noch gefiel und ob ein Ehrſames gericht ihm ;
locken ambt noch ein Jahr vergönnen wolle, welche dann von dem Gericht geſprochen wird Ja
vder nein, iſt gerecht.“ Din | . Deines Baits
Die Stellung und Achtung vor dem Lehrerſtand iſt immer für den Bildung38gra pine heit:
alter3 der richtige Maßſtab. Hieran gemeſſen, müſſen in Simmern damals die traurigſten Ver-
hältniſſe geherricht haben.
Der Fiedelbogen aus dem Kohlwald. Ein naſſau-ſaarbrückiſcher Hofmuſikus aus Neunkirchen
hatte ſich, wie der Geheime Kammerrat Schneider*) erzählte, an Jhre hochfürſtliche Gnaden ge-
wandt und um Holz zur Fertigung eines neuen Fiedelbogens gebeten. Da der Fürſt bei ſeinem
Aufenthait in Neunkirchen leutſeliger Stimmung war, beſchied er den Förſter Hochapfel, dem
Muſikanten das nötige Holz zuzuweiſen. Als aber kurze Zeit darauf eine Anzeige bei der fürſt-
lichen Regierung einlief, die den Hofmuſikus ſchweren Naldfrevels veſchuldigte, ließ ihn der Fürſt
zu ſich befehlen. Der Attentäter auf die fürſtlichen Waldungen war aber wenig geneigt, ſeine
Schuld einzuſehen, da er doc< mit hochfürſtlichem Privileg eine Rotbuche geſchlagen und heim-
geſchafft habe, „daraus einen Fiedelbogen zu machen“. „Aber wozu denn eine ausgewachſene
Rotbuche wegen des kleinen Fiedelbogens 2“ „Ja, hochfürſtliche Gnaden“, antwortete der Muſikus,
„da iſt denn auch no< Holz davongekommen!“ -- Der Fürſt zeigte ſich ob der geſchiten
Ausflucht wieder allerhöchſt gnädig, drohte aber dem Hofmuſikus für ähnliche unbeſonnene Streiche
mit einer entſprechenden Anwendung eines buchenen Dirigentenſtabe3.
*) Der Geheime Kammerrat Schneider war der Großonkel des Oberförſters Ludwig Sneider.
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