Saarfalender für das Jahr 1923
Es Gutzje.
Wer-hat hie de 'Mann uff dem Bild nit gekennt ?
„Es Gußje", jo hat mer ne nure genennt.
Ob's Heigawle rähnt, ob die Sunn hat geſcien,
Es hat ne ke Minſ< ämol annerſhd geſiehn.
E Bandel, zu lang, un e Belzkäbbhe aan,
Kabudene Suh, oft ke Abſatz meh draan,
Ganz ſ<mädtig, is Er dur<z die Gaſſe geſchlubbt
Un hat als e Shdimelje manhmol geflubbt.
War immer allähn, wie e Hirt ohne Herd,
Hat wenig geſchwäßt, ſih an niemand geſchdeert,
Uff Sille un Rätſche hat er nit gehor<t,
Hat, immer zufriede, ſei Kundſchaft beſorgt.
Im Haabdberuf is er Balwierer gewehn,
Un ohne ſei Handwerkszeig kunnd er nit gehn.
Sor finf Penning nure, das war do ken Geld,
Hat er em raſiert un die Sääf noh geſchdellt.
Un eerſ<d for e Groſhe, das glaabd mander nit,
Hat er ſeine Kunne die Birſchde geſhnitt.
Sei Habbd-Adeljee, das war unner der Brick,
Die Miet, die war billig, un das war e Glick,
Dort hat er ſei Kunne geſ<aabd um die Reih;
Geſ<hwäßt hat er nix, nur gepiff als dabei;
Hat nie die Geduld un de Eifer verlor,
Un doh, Milljonäär is er nit debei wor.
Seledſ<d is er Omends, beſcheide un ſhdill
Gelaafd un hauſiert met der Saargroßſtadtbrill,
So hat er ſich ehrlich) dur<'s Lääwe geſchlah,
Un niemals kam er eme Minſche zu nah.
E ſeltſamer Minſ<, e Gemiet wie e Kind,
I< glaab, daß mer wenig vun dene meh findt.
Es is aa nit meeglih, daß hie in d'r Shdadt
Es Gußzje im Lääwe viel FSeinde gehabd.
Un graad ſo unmerklich, ſo ſ<dill und ſo leiſ'
Madt er ſi< an ähm ſchoene Dah uff die Reiſ'
Un is vun der bucklige Welt abgeſ<hoob.
Im Himmel, do is er jezd gud uffgehoob;
Dort hat er jez Ruh, kennt ke Ac) un ken Weh,
Dann heit in das Treiwe paßt's Gußje- nit meh.
Saarbrücker Rosinen. Graf Johann I1. verlieh etwa um das Jahr 1360 dem Bannbäcker Nidel
die Schildgerechtigkeit „Zum Löwen“. Damit wurde zugleich der Familienname Löw erteilt. Zwiſchen
der Grafenfamilie und den Nachkommen Löw3 beſtand ſtet8 ein gutes Verhältnis, ſie waren „Hof-
lieferanten“ durch Jahrhunderte. Auch die Hofgeſellſchaft bezog ihre Baware nur aus der alten
Bäckerei, neben der die Nachfahren auch eine Wirtſchaft betrieben. Zur Zeit des Fürſten Wilhelm
Heinrich ließ aber durch irgendwelche Umſtände die vielgerühmte Sauberkeit in der Bäckerei nach.
Neben täuſenden von „Hämmermeisjer" hatten Mäuſefamilien in der warmen Backſtube ihren Einzug
gehalten und den Jnhaber ebenfalls zu ihrem Hoflieferanten ernannt. Beim Naſchen von Mirwedääg
(Mürbeteig) benahmen ſich dieſe Eindringlinge nicht gerade ſehr reſpektvoll der hohen Kundſchaft
entſprechend und hinterließen nur zu oft ihre Beſuchsfarten in der ihnen eigenen Kugelform. Und
ſo geſchah es, daß Se. Durchlaucht Wilhelm Heinrich eines ſchönen Tage8 den Bäcker Löw zu ſich
aufs Schloß rief und ihm ein angebrochene8 Brötchen mit einem ſchwarzen Kügelchen entgegenhielt:
„Meiſchter Leeb, was iſch das?“ L. kraßt ſich zuerſt verlegen hinter den Ohren: „Gott, Herr Ferſcht,
was werd das ſin?! Nix!“ „Was?“ ſchleudert ihm Sereniſſimus entgegen, „Jhr ſin doch nit blind,
e Mauzdre> 43 es!" „O, was!“ behauptet der Meiſter abwehrend, nimmt das Brötchen in die Hand,
betrachtet es, von vorn und hinten, und ehe der Fürſt es verhindern kann, beißt er hinein. Weg iſt
das corpus delicti! Lächelnd ſieht er dann den Ankläger an: „Han ich's nit geſaht! O, wie ſchmedt
das ſcheen ſieß, das is e Roſin!“ Sprachs und ließ den verdubten Herrſcher ſtehen. |
Seit dieſer Zeit ſollen aber nur no< Brötchen ohne Roſinen ins Schloß geliefert worden ſein,
1 uni.
154