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entnazifizierte und im Dienst belassene Beamte unter den Ausgewiesenen befunden
hatten 37 .
Die Militärregierung in Baden-Baden kritisierte den Verlauf der Ausweisungsaktion:
Statt der vorher angekündigten Zahl von über 800 waren nur 485 Personen in Saar
brücken in den Zug gesetzt worden, von denen nur 450 in Württemberg-Hohenzol-
lern ankamen. Da von den den Transport begleitenden Gendarmen keine Flucht ge
meldet worden war, waren - so die Vermutung der Sürete in Baden-Baden - noch in
letzter Minute Ausweisungsbefehle zurückgenommen worden 38 . Laffon beschwerte
sich bei Grandval und ermahnte ihn, angesichts der laufenden diplomatischen Ver
handlungen die bisherige Politik konsequent weiterzuführen 39 .
Die Ausgewiesenen wurden zuerst im Grenzlager Biberach untergebracht und dort
von der Sürete befragt; es waren keinerlei Begleitpapiere mitgeschickt worden 40 41 . Der
zuständige evangelische Lagerpfarrer Dilger berichtete: Im Lager befänden sich Per
sonen im Alter von acht Monaten bis 79 Jahren, darunter Akademiker, höhere Be
amte der Reichsbahn, führende Persönlichkeiten aus Industrie, Handel und Gewerbe,
Ärzte und Lehrer, aber auch Handwerker und einfache Arbeiter - die große Mehrheit
sei evangelisch. Ein Teil der Ausgewiesenen sei NSDAP-Mitglied gewesen, aber es
befänden sich auch einige Gegner des Nationalsozialismus darunter. Keinem der Be
troffenen sei eine nähere Begründung, die über den Text des Ausweisungsbefehls
hinausgehe, vorgelegt worden. Dilger schloß seinen Bericht mit der Feststellung:
Nach welchen Gesichtspunkten die Ausweisungen erfolgt sind, ist nicht zu erken
nen 41 . Auch der Saarbrücker Kirchenrat Otto Wehr konnte sich die Ausweisungen
nicht ausschließlich als Maßnahme aufgrund einer vorliegenden politischen Bela
stung erklären; er vermutete vielmehr, daß die anti-französische Haltung der Betrof
fenen den Ausschlag gegeben hatte 42 .
Namenslisten der Ausgewiesenen konnten in den Archiven nicht aufgefunden wer
den; einzelne Fälle sind aber bekannt: zum Beispiel die Ehefrau des ehemaligen
Reichskanzlers von Papen (eine geborene von Boch), ein ehemaliger SD-Mann, ein
37 GMZFO/DOCF/Prösidence de Sarrebruck: Toubeau an Grandval, 14.2.1947; MAE NANTES Cab.Pol.
81/49.
38 CCFA/SUR/CAB 518: Direktor Andrieu an Laffon, 8.7.1946; AP GB 457 AP 72. Grandval konnte
sich später, bei der Abfassung seines Memoirenmanuskriptes, nicht mehr an die Gründe erinnern,
warum statt der geplanten Zahl von rund 850 nur 450 Ausweisungen tatsächlich durchgeführt worden
waren; siehe die handschriftliche Anmerkung in seinen Unterlagen zu der Ausweisungsaktion 1946:
Qui a Juillet 46 expulsions annulees?\ AP GG d.7-U. Kirchenrat Wehr meldete am 20. August 1946
der Kanzlei der EKiD, daß es ihm in einzelnen Fällen gelungen sei, die Ausweisung durch das Entge
genkommen des Gouverneurs zu verhindern. Dies habe er aber nur in den Fällen tun können, die ihm
persönlich bekannt gewesen seien, und für die er habe bürgen können; EZA 2/140.
39 Konferenz des Rates der Außenminister in Paris, 25.4.-16.5. u. 15.6.-12.7.1946. Zur Saarfrage: Kessel,
S. 150ff. CCFA/CAB/C 5039: Laffon an Grandval, 19.7.1946; AOFAA DGAP c.232 p.48. Siehe auch
den Bericht Laffons an das CGAAA, 25.8.1946; MAE Z EU/Sarre 1944-^9 d. 18/41.
40 Andrieu, 8.7.1946 (Anm. 38).
41 Ev. Stadtpfarramt Biberach-Riss/Der Lagerpfarrer für das Grenzlager Biberach, Dilger, an Landesbi
schof Wurm, 8.7.1946; EZA 2/140.
42 Kirchenrat Wehr an die Kanzlei der EKiD in Schwäbisch-Gmünd, 20.8.1946; EZA 2/140.