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Schaftsführer sowie der Beschluß des Länderrates in Stuttgart über die Amnestierung
der Abwehrbeauftragten wurden zur Urteilsbegründung herangezogen 128 . Als weitere
Entscheidungshilfe diente ein Gutachten der Industrie- und Handelskammer Saar
brücken über die Geschichte und Funktion des Amtes des Wehrwirtschaftsführers 129 .
Dem Gutachten lag eine Erklärung zugrunde, die der "Erfinder" des Titels
"Wehrwirtschaftsführer", der damalige Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungs
amtes im OKW, General Georg Thomas, im Januar 1946 dem Alliierten Kontrollrat
abgegeben hatte. Im Rahmen der Aufrüstung habe in der Wehrmachtsführung ein
starkes Interesse an einer engen Zusammenarbeit mit der Wirtschaft bestanden.
1937/38 war der Wehrwirtschaftsstab beim OKW eingerichtet worden, der sich in
mehrere Wehrwirtschafts- und Rüstungsinspektionen sowie Rüstungskommandos
aufgliederte. Die Ernennung zum Wehrwirtschaftsführer sei eine persönliche Titula
tur ohne Amt, Rechte und Pflichten gewesen; sie habe weder einen militärischen
noch einen politischen Inhalt gehabt, noch sei sie an Parteimitgliedschaft oder militä
rische Vorbildung gebunden gewesen. Seit Ende 1939 habe die NSDAP versucht, bei
der Verleihung des Titels mitzusprechen. Nachdem die Wehrmacht eine Einmi
schung abgelehnt habe, seien von Göring und Wirtschaftsminister Funk eigene Titel
verleihungen vorgenommen worden. Auf Vorschlag der Gauleiter wurden von ihnen
vor allem verdiente Nationalsozialisten ernannt 130 . Die Beurteilung des Amtes
"Abwehrbeauftragter" wandelte sich Ende 1947. Bis dahin hatte der CSE jeden
Amtsinhaber automatisch entlassen, da ein Zusammenhang mit dem Sicherheits
dienst der SS vermutet worden war. Jetzt wurde allen Betroffenen ein Sanktionsauf
schub bis zur Spruchkammerverhandlung genehmigt 131 .
Leroy drängte Manderscheid im November 1947 auf den baldigen Beginn der
Spruchkammerverhandlungen gegen die saarländischen Wehrwirtschaftsführer. Die
Voruntersuchungen wurden auf Anweisung Manderscheids zentral durch den Unter
suchungsausschuß in Saarbrücken vorgenommen 132 . Im Landesarchiv konnten die
Fälle von 30 führenden Persönlichkeiten der saarländischen Privatwirtschaft einge
sehen werden. In den Spruchkammerverhandlungen wurden sie auf folgende Ankla
gepunkte überprüft: Ausübung hoher Verwaltungsposten in der Saarwirtschaft, Titel
eines Wehrwirtschaftsführers oder eines Abwehrbeauftragten, Nutznießerschaft
128 Die "Frankfurter Rundschau" berichtete am 13. Februar 1947 über die Sitzung des Entnazifizierungs
ausschusses des Länderrates in Stuttgart am 15. Januar 1947, auf der beschlossen wurde, daß die Ab
wehrbeauftragten unter die Weihnachtsamnestie fallen sollten. "Der Tagesspiegel" in Berlin meldete
am 26. Februar 1947 den Freispruch des Wehrwirtschaftsführers Wolf-Dietrich von Witzleben, frü
heres Vorstandsmitglied von Siemens; LA SB OSR 11-SPR 151/48 u. III-SPR 173/48.
129 IHK Saarbrücken; "Erläuterung über die Ernennung und Stellung der Wehrwirtschaftsführer", o.D.
(1946/47); LA SB OSR II-SPR 130/48 u. II-SPR 151/48.
130 Ebd.
131 Vermerk des Untersuchungsausschuß-Vorsitzenden Fischer (Saarbrücken-Stadt), 18.3.1948; LA SB
OSR II-SPR 129/48. Im französischen Wirtschaftsfragebogen Typ "W" von 1946 wurden Abwehrbe
auftragte als Teil des NS-Terrorsystems, zuständig für die Fremdarbeiterüberwachung, und Wehrwirt
schaftsführer als Leiter von Rüstungsbetrieben angesehen (siehe das Kapitel C.6.4.).
132 Leroy nannte dabei die Zahl von 25 Wehrwirtschaftführem. Manderscheid an Kuchenbecker,
11.11.1947; Vermerk Sauerlands über eine Besprechung mit Leroy, Bruchlen u. Werthenschlag,
26.1.1948; Vermerk des Vorsitzenden Fischer, 5.3.1948; LA SB VK 205, OSR 75 u. II-SPR 151/48.