18
2. Sicherheit durch Demokratisierung:
Die frühen Direktiven für die französische Besatzungspolitik
Die Deutschlandpolitik Frankreichs hatte nach dem Ende des 2. Weltkrieges vor al
lem ein Ziel: Sicherheit vor einer erneuten deutschen Aggression. Der Entnazifizie
rung als Bestandteil der Besatzungspolitik wurde dabei eine wichtige Funktion zu
gemessen. Zusammen mit der Dezentralisierung und Demokratisierung sollte sie die
Voraussetzungen für ein neues, friedliebendes Deutschland schaffen.
Überlegungen zur Behandlung Deutschlands nach dem Kriege gab es schon während
der Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich. Gegen Kriegsende gingen sie teil
weise direkt in staatliche Planungen der Provisorischen Regierung über. Im Außen-,
Kriegs- und anderen Pariser Ministerien kursierte seit 1944 eine Vielzahl von Plänen
zur Behandlung Nachkriegsdeutschlands; auch die Äußerungen General de Gaulles
wiesen verschiedene Wege auf 1 .
Das zur Koordinierung der deutschlandpolitischen Maßnahmen der einzelnen Pariser
Ministerien eingesetzte Comite Interministeriel erließ im Sommer 1945 erste Direk
tiven zur Besatzungspolitik in Deutschland, die den Orientierungsrahmen für die fol
genden zwei Besatzungsjahre gaben 2 . Am 19. Juli 1945 wurde das Dokument Nr. 1,
die Directives pour notre action en Allemagne, verabschiedet 3 . Wenige Tage nach
der Übernahme des gesamten Besatzungsgebietes zum 10. Juli unternahm Paris da
mit den Versuch, einen ersten Handlungsrahmen für die Militärregierung in Baden-
Baden abzustecken. Einen Monat später gab Generalverwalter Laffon die Anweisung
an seine Generaldirektoren und die Leiter der Militärregierungen in den Ländern
weiter. Die Politik der Militärregierung müsse jetzt vereinheitlicht und den Pariser
Direktiven angeglichen werden (soit unifiee et reponde partout aux intentions pro-
ches du Gouvernement de la Republique) 4 . Weitere zwei Monate später, am
25. Oktober 1945, nahm Laffon die soeben beendete Deutschlandreise General de
1 Kessel, Martina: Westeuropa und die deutsche Teilung. Englische und französische Deutschlandpolitik
auf den Außenministerkonferenzen von 1945 bis 1947. München 1989, S. 15ff. Gegen die weit ver
breitete Ansicht, die Deutschlandpolitik de Gaulles habe sich 1945/46 ausschließlich in den traditio
nellen Bahnen französischer Machtpolitik bewegt (so auch Wolfrum, Französische Besatzungspolitik,
S. 25f.), wendet sich R. Hudemann mit dem Hinweis auf zahlreiche Äußerungen de Gaulles insbeson
dere auf seiner Reise durch die Besatzungszone Ende 1945. Laffon konnte sich deshalb bei seiner De
mokratisierungspolitik auf de Gaulle berufen: Hudemann, Rainer: De Gaulle und der Wiederaufbau in
der französischen Besatzungszone nach 1945, in: De Gaulle, Deutschland und Europa/hrsg. von
Wilfried Loth und Robert Picht. Opladen 1991, S. 153-167.
2 Hierzu: Hudemann, De Gaulle, S. 154ff.; Ders.: Kulturpolitik und Deutschlandpolitik. Frühe Direkti
ven für die französische Besatzung in Deutschland, in: Frankreichs Kulturpolitik, S. 15-31; Hüser,
S. 66ff. u. 83ff.; Lattard, Gewerkschaften, S. 5ff,
3 GPRF/Pr^sidence du Gouvemement/SG du CIAAA: Dokument Nr. 1: "Directives pour notre action en
Allemagne", 19.7.1945; MAE Y 1944-^9 d.679/95-102 u. AOFAA CC POL I B 2 p.l 1. Das Doku
ment ist abgedruckt in: Mdnudier, S. 169-182; Lattard, Gewerkschaften, S. 314-323.
4 CCFA/CAB 9 I A 1 a: Laffon an die Direktoren u. die "Administrateurs de Pays", 20.8.1945; AOFAA
CC POL IB 2p. 11.