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hatten 79 . Jeder Betroffene hatte das Recht, gegen die Entscheidung Einspruch bei der
Spruchkammer einzulegen, in der ein Richter den Vorsitz innehatte. Der bisherige
Vorsitzende des OSR I, Gelzleichter, wurde ab 1. Februar 1950 zum nebenamtlichen
Vorsitzenden der neuen Spruchkammer bestellt.
Staatssekretär Hector beauftragte Staatskommissar Sander im Oktober 1950 entspre
chend den Empfehlungen des deutschen Bundestages einen neuen Gesetzesentwurf
auszuarbeiten 80 . Hector begründete diesen Schritt vor dem Landtag mit der Notwen
digkeit, fast sechs Jahre nach Kriegsende das politische Säuberungsverfahren zum
Abschluß bringen zu müssen 81 . Während der Entwurf im Landtag nicht diskutiert
wurde, blieb in den Beratungen des Rechtsausschusses die Frage der Unterhaltszah
lungen für Schuldige oder ihrer Hinterbliebenen bis zuletzt strittig 82 . Die für den
25. Mai 1951 vorgesehene dritte Lesung wurde verschoben, da die SPS-Fraktion eine
gemeinsame Verabschiedung des Abschlußgesetzes mit dem Änderungsgesetz zur
Wiedergutmachung forderte. Am 10. Juli 1951 wurde das Gesetz über den Abschluß
des politischen Säuberungsverfahrens bei zwei Stimmenthaltungen angenommen 83 .
Nach der Abstimmung kam es zur einzigen Wortmeldung im gesamten Gesetzge
bungsverfahren: Der Abgeordnete Gustav Levy, der als Jude 1935 hatte emigrieren
müssen und mehrere Familienmitglieder durch den NS-Terror verloren hatte, be
gründete seine Stimmenthaltung mit der Enttäuschung über die schlechte Behand
lung der Opfer des NS-Regimes. Während aktive Nationalsozialisten heute wohl
wollend behandelt würden, würden sich die Opfer des Nazi-Terrors schon wieder
verängstigt auf die Seite drücken lassen. Er wies auf die Mitschuld der kleinen Leute
hin: Es ist nicht immer die oberste Instanz, die den Staat regiert, es regieren oft die
untergeordneten Instanzen. Warum ist Weimar untergegangen? Nicht, weil die füh-
79 Stein und Pattat waren zuletzt Vorsitzende einer OSR-Kammer, Postamtmann Wilhelm Fries Beisitzer
im OSR gewesen; Sander an Justizminister Braun. 6.1.1950; Sander an Hector, 21.7.1950; LA SB OSR
72.
80 Der Bundestag hatte in seiner 108. Sitzung am 15. Dezember 1950 (Stenographische Berichte,
5. 4065ff.) neun Richtlinien zur Beendigung der Entnazifizierung in den Bundesländern verabschiedet
(Drs. 11/1658), unter anderen: 1. Verfahren mit dem Ziel der Einstufung in die Kategorien III, IV und V
sollten nach dem 1. Januar 1951 nicht mehr betrieben werden; 2. Personen der Kategorie I und II soll
ten bis zum 31. März 1951 beantragen können, in einem Nachverfahren in eine mildere Kategorie her
abgestuft zu werden; ... 5. Berufs- und Tätigkeitsbeschränkungen sollten zum 1. April 1951 in Wegfall
kommen, mit folgenden Ausnahmen für die Kategorien I und II: Lehrer, Prediger, Redakteur, Rund
funkkommentator, Polizei, Auswärtiger Dienst oder höherer öffentlicher Dienst; 6. mit Ausnahme der
Kategorien I und II sollten die Beschränkungen des aktiven und passiven Wahlrechts zum 1. April
1951 entfallen; 7. Vermögenssperren sollten zum selben Zeitpunkt aufgehoben werden, bereits ausge
sprochene Vermögenseinziehungen jedoch weitergelten; ... 9. bei Verurteilungen zu Arbeitslager sollte
vom Gnadenrecht weitgehend Gebrauch gemacht werden. Hierzu: Fürstenau, S. 157f. Hector an San
der, 11.10.1950, u. an Grandval, 29.12.1950; Privatunterlagen Sander; MAE NANTES Miss.Jur. G VI
6.
81 Das Hohe Kommissariat hatte keine Einwände gegen den Entwurf gehabt. Ltag Saar 1 .WP Drs. 11/640,
22.1.1951, u. Drs. 1/100: Sitzungsbericht, 27.1.1951, S. 462f.
82 Witwen von Schuldigen konnte. Waisen mußte Unterhaltsbeihilfe gewährt werden; Ltag Saar l.WP:
120., 121. u. 122. Sitzung des Rechtsausschusses, 28.3., 4. u. 12.4.1951; LTA SB; Drs. 11/694.
20.4.1951,
83 Abschlußgesetz, 10.7.1951: ABI-Saar Nr. 36/51 (18.8.1951), S. 985f.; Ltag Saar l.WP Drs. 1/108 u.
1/113: Sitzungsbericht, 23.5. u. 10.7.1951.