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gene Säuberungspolitik betrieb und nicht von einer französischen Entnazifizie
rungspolitik gesprochen werden kann?
Nur durch den Vergleich der Entwicklung in den verschiedenen Ländern der Besat
zungszone können sowohl die Vielschichtigkeit als auch die Einheitlichkeit und die
Grundstrukturen der französischen Entnazifizierungspolitik festgestellt werden. Zeit
genössische Begriffe (zum Beispiel "Epurations-" oder "ZSK-Bescheide") wurden
beibehalten, da sie ein Ausdruck der dezentralen Komponente in der französischen
Besatzungspolitik waren 47 .
Die Datenschutz- und Archivgesetzgebung der deutschen Bundesländer behinderte
nicht nur des öfteren den Zugang selbst zu sachbezogenen Akten, sondern verhin
derte auch die Untersuchung des "Entnazifizierungsalltags". Die konkrete Auswir
kung der Entnazifizierung auf die Betroffenen konnte daher nicht überprüft werden 48 .
Eine Ausnahme bildet die Spruchkammertätigkeit im Saarland. Im Landesarchiv
Saarbrücken konnten Teile der Spruchkammerakten eingesehen und - anonymisiert -
ausgewertet werden. Aber auch in Frankreich wurde die Einsichtnahme in vorhan
dene Bestände zur Entnazifizierung der Privatwirtschaft und zur Lage in den Inter
nierungslagern aus archivrechtlichen Gründen teilweise nicht gestattet.
Auf französischer Seite wurden für die Arbeit hauptsächlich die umfangreichen Be
stände des Besatzungsarchivs in Colmar sowie die Aktenbestände des französischen
Außenministeriums in Paris und Nantes herangezogen. Die damalige enge Kontrolle
der deutschen Verwaltungstätigkeit durch die Militärregierung hat den positiven Ne
beneffekt, daß heute zahlreiche - in deutschen Archiven fehlende - Schriftstücke
dort vorhanden sind. Die Auswertung einzelner Bestände der Archives Nationales in
Paris sowie der Privatakten des ehemaligen Außen- und Premierministers, Georges
Bidault, und des langjährigen Gouverneurs des Saarlands, Gilbert Grandval, ergänz
ten das französische Aktenmaterial. Auf deutscher Seite wurden die Landesarchive in
Saarbrücken, Speyer und Koblenz, die beiden Landtagsarchive und - soweit der Zu
gang möglich war - die kirchlichen Archivbestände auf Fragen der Entnazifizierung
hin ausgewertet. Der Aktenbestand der Industrie- und Handelskammer Ludwigshafen
47 Im Anmerkungsapparat wurde auf eine genaue Wiedergabe der jeweiligen Sigel auf den Schreiben der
französischen Militärregierung geachtet. Damit soll nicht nur weiteren Forschungen die Möglichkeit
gegeben werden, Schriftstücke, auf denen die Daten fehlen (dies kommt leider des öfteren vor, da es
sich meist um Ab- bzw. Durchschriften handelt), einzuordnen. Vor allem aber sind fast alle Schrift
stücke von den jeweiligen Leitern der Militärregierung (Laffon oder den Ländergouvemeuren) unter
schrieben, so daß der eigentliche Verfasser bei fehlender Angabe des Sigels nicht ersichtlich wird.
48 Zu nennen ist hierbei insbesondere der teilweise gesperrte Bestand R 17 im Landesarchiv Speyer, der
die - nach Verwaltungsbereichen geordneten - Entnazifizierungsbescheide der pfälzischen Organe der
Jahre 1945 bis Mitte 1947 umfaßt. Die Sperrung personenbezogener Akten (politische Fragebögen u.ä.)
ist umso fragwürdiger, als die Sanktionen damals mit Namensnennung in den Amtsblättern veröffent
licht wurden. Zur Problematik der neueren Datenschutzgesetzgebung: Datenschutz und Forschungs
freiheit. Die Archivgesetzgebung des Bundes auf dem Prüfstand/bearb, von Jürgen Weber. München
1986; Schmitz, Hans: Archive zwischen Wissenschaftsfreiheit und Persönlichkeitsschutz. Anmerkun
gen zur Archivgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung
der Archivalienbenutzung, in: Aus der Arbeit der Archive: Beiträge zum Archivwesen, zur Quellen
kunde und zur Geschichte; Festschrift für Hans Booms/hrsg. von Friedrich P. Kahlenberg. Boppard
1989, S. 95-112.