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waltung durchzusetzen. Erschwerend kam hinzu, daß der Service Epuration in
Koblenz seine Kontrollbefugnisse zwar emstnahm, sich aber in bürokratischer Ge
nauigkeit erschöpfte, wo rasches und energisches Handeln erforderlich gewesen
wäre.
Ein starker Einfluß der politischen Parteien wirkte sich hemmend auf die Effektivität
der Entnazifizierung aus. Zwischen ihnen bestand Konsens, daß nur die NS-Aktivi-
sten - und diese sehr schnell - entnazifiziert werden sollten. Ein Gegenmodell zum
französischen Verfahren wurde aber nicht vorgeschlagen. Der sehr rasch nach 1946
einsetzende Wettlauf um die (Wähler-)Gunst der Pgs führte dazu, daß keine Partei
mehr die Verantwortung für die Folgen der Entnazifizierung übernehmen wollte. Die
Forderung nach Einrichtung einer richterlichen Einspruchsinstanz wurde immer lau
ter erhoben: Die bürgerlichen Parteien forderten nachdrücklich ein Justiz- statt des
bestehenden politischen Verwaltungsverfahrens.
8.1. Ergebnisse der Entnazifizierung im Saarland, Hessen-Pfalz
und Rheinland-Hessen-Nassau
Die Zeitgenossen hatten den Eindruck, daß die Entnazifizierung in Hessen-Pfalz und
im Saarland übermäßig hart gewesen war; Vorwürfe des Verfahrensmißbrauchs wur
den nur hier erhoben. Die Entnazifizierungsbestimmungen waren aber überall gleich.
Die drei Länder unterschieden sich vor allem in der Geschwindigkeit, mit der die
Säuberung durchgeführt wurde. Hinzu kam, daß in den ersten Monaten, als die Erin
nerung an die Verbrechen des NS-Regimes noch nicht vom Nachkriegsalltag über
deckt war, schärfer geurteilt wurde - zu diesem Zeitpunkt arbeiteten bereits die pfäl
zischen Organe.
Rheinland-Hessen-Nassau hinkte von Anfang an in der Entnazifizierung hinterher;
zudem zeigte die Militärregierung in Koblenz nur ein geringes Interesse an der so
fortigen Durchführung der Sanktionen. Im Saarland beschränkte sich das Interesse
der Militärregierung auf einige besonders wichtig erscheinende Bereiche. Innere
Verwaltung, Post, Bahn und Saargruben wurden sehr rasch entnazifiziert, während
die Säuberung der Privatwirtschaft hinter dem Primat des Wiederaufbaus zurück
stand. Hessen-Pfalz war im Frühjahr 1947 am weitesten in der Entnazifizierung vor
angekommen. Nur in diesen beiden Ländern mit fortgeschrittener Entnazifizierung
hatten die Militärregierungen die Einrichtung einer Art Einspruchsinstanz erlaubt. In
Rheinland-Hessen-Nassau sollten dagegen erst die laufenden Verfahren zu Ende ge
bracht werden.
Für die folgenden Tabellen wurden folgende wichtige Bereiche der öffentlichen
Verwaltung: Innere Verwaltung, Justiz, Erziehungswesen und als technischer Ver
waltungsbereich die Post, ausgewählt. Die Spalte "Econom" beinhaltet die gesamten
Maßnahmen in der Privatwirtschaft, die Spalte "Summe" alle Entnazifizierungsver
fahren in der öffentlichen Verwaltung und der Privatwirtschaft seit Ende 1945. Im
Vergleich zu den anderen Ländern fällt bei der Pfalz der hohe Anteil an Entlassungen
unter einem relativ niedrigen allgemeinen Sanktionierungsgrad auf; dies hatte mit
dazu beigetragen, daß der zeitgenössische Eindruck einer härteren Entnazifizierung