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Beispiel zur Förderung separatistischer Bewegungen 2 - mißbraucht. Hierfür fehlte
die Unterstützung seitens der Militärregierung.
Die Gouverneure entwickelten in ihren Ländern Eigeninteressen und hintertrieben
ihnen unangemessen erscheinende Forderungen Laffons; es entstanden oft Koalitio
nen mit der deutschen Verwaltung gegen Baden-Baden ("Prokonsuleffekt" 3 ). Die
Entnazifizierungsoffiziere führten einen stetigen Kampf mit den anderen Dienststel
len der Militärregierung, die oft versuchten, die Durchführung der Sanktionen in ih
rem Bereich zu verhindern. Die institutioneile Hervorhebung des Service Epuration
in Baden-Baden wurde nur in Rheinland-Hessen-Nassau nachgeahmt; in den anderen
Ländern bildete er eine Unterabteilung der Verwaltungsdirektion und befand sich
damit in einer abhängigeren Position.
Das Verfahren und die Ergebnisse der Entnazifizierung waren vom Spannungsver-
hältnis zwischen Militärregierung und deutscher Verwaltung einerseits und der Zu
sammenarbeit zwischen den politischen Parteien, der Verwaltung und den Entnazifi
zierungsorganen andererseits bestimmt. Ein eher "unpolitisches" Verwaltungsverfah-
ren bestand im Saarland. Die Leitung der Entnazifizierung wurde auf saarländischer
Seite dem Personalbüro des Regierungspräsidiums beziehungsweise später der Ver
waltungskommission übertragen. Der im April 1946 eingerichtete Conseil Politique
(CSE) entwickelte sich zwar zur obersten Verfahrensinstanz, unterstand jedoch di
rekt der Militärregierung. Deren enge Kontrolle ließ kaum Freiräume zu, die aller
dings von der saarländischen Seite auch nicht eingefordert wurden.
Anders die Situation in Hessen-Pfalz. Die Parteien konnten nur über den politischen
Ausschuß beim Oberregierungspräsidium versuchen, direkten Einfluß auf die Entna
zifizierung zu nehmen. Ihre Vertreter in den ZSK und im Conseil Politique (PSR)
fühlten sich zum großen Teil als eigenverantwortliche Mitglieder. Dies zeigte sich
Ende 1946, als fast alle Parteien auf eine deutliche Distanz zum bestehenden Verfah
ren gingen, während die Organe weiterarbeiteten. An der Spitze der Entnazifizierung
stand der parteilose Oberregierungsvizepräsident Koch. Er wurde in seiner Tätigkeit
vom Service Epuration in Neustadt unterstützt, der zwar effektiv arbeitete, aber Koch
viel Freiraum ließ. Koch baute eine straffe Entnazifizierungsorganisation auf, mit der
versucht wurde, die politische Säuberung über die parteipolitischen Interessen hin
weg konsequent durchzuführen. Koch achtete dabei - trotz aller Kritik des Service
Epuration in Neustadt - auf die Belange der pfälzischen Verwaltung. In der Pfalz
konnte dabei, wie auch im Saarland, auf bestehende Infrastrukturen zurückgegriffen
werden.
In Rheinland-Hessen-Nassau dagegen zeichnete sich die deutsche Verwaltung durch
ein ausgeprägtes Desinteresse an der Entnazifizierung aus. Erst sehr spät verbesserte
die Militärregierung durch die Einrichtung des Dreierausschusses die Situation. Trotz
seines guten Willens gelang es diesem aber nicht, sich - ohne ausreichende Unter
stützung durch die Parteien - wirksam gegen den hinhaltenden Widerstand der Ver
2 Dieser Vorwurf wurde vor allem gegen die pfälzischen Entnazifizierungsorgane erhoben. Dagegen
spricht u.a., daß führende Mitarbeiter von der späteren Landesregierung, die den "pfälzischen Separa
tismus" auf schärfste bekämpfte, in die neuen Spruchkammerorgane übernommen wurden.
3 Hudemann, in: Baden-Württemberg, S. 23.