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Einzelfall dadurch gerecht werden, daß nicht nur dessen nationalsozialistische Ver
gangenheit, sondern auch die persönlichen Umstände sowie die jetzige berufliche
Stellung berücksichtigt wurden" 3 .
Oberst Magniez fragte in Baden-Baden nach, welche Bedeutung der württembergi-
schen Rechtsanordnung zukäme. Er habe den Eindruck, daß diese mildere Bestim
mungen beinhalte als die Entnazifizierungsdirektiven Laffons" 4 . Amal hatte wenige
Tage zuvor Abschriften der neuen Rechtsanordnung an die Ländergouvemeure ver
schickt. Er sah durch sie das bestehende Verfahren nicht in Frage gestellt: La redac-
tion de l'ordonnance est teile qu'elle n'implique aucun changement des methodes
employees jusqu'ä present et evite justement de codifier en fagon trop stricte les
regles d'epuration conformement ä la politique que nous avons toujours suivie de
l'examen individuel. Arnal überließ es der Militärregierung in Neustadt, eine ver
gleichbare Rechtsanordnung für Hessen-Pfalz in Kraft zu setzen" 5 . Magniez über
reichte Koch den Text der Rechtsanordnung. Eine derartige Verordnung hätte den
Vorteil, daß die Entnazifizierung auf eine festere, rechtliche Grundlage gestellt
werde. Koch solle prüfen, inwieweit ein Interesse an der Übernahme einzelner Arti
kel bestehe. In den folgenden Wochen erinnerte Magniez Koch mehrmals an diesen
Auftrag" 6 . Erst Mitte November 1946 reagierte das Oberregierungspräsidium. Der
Vorsitzende des PSR, Senatspräsident Matheis, überreichte der Militärregierung den
Entwurf einer Rechtsanordnung zur politischen Säuberung für das Gebiet Hessen-
Pfalz. In der Begründung wurden die scharfen Proteste der Parteien, der Presse und
auch des Oberregierungspräsidenten Eichenlaub gegen die fehlende gesetzliche
Grundlage der Entnazifizierung erwähnt. Es könne daher weder die geplante Über
nahme der Kontrollratsdirektive Nr. 38, noch eine gesetzliche Regelung des im Auf
bau befindlichen rheinland-pfälzischen Staates abgewartet werden: Diese Rechtsan
ordnung muß an die bisher in Hessen-Pfalz entwickelten Grundsätze und Verfah
rensregeln anknüpfen, darauf aufbauen und insbesondere auch die bisher bekannt
gegebenen ... Entnazifizierungsentscheidungen legalisieren. Dabei erscheint es not
wendig, das Verfahren in eine etwas festere Form zu bringen, ohne die von den bis
herigen Ausschüssen und Kommissionen geübte Freiheit zu sehr einzuschränken " 7 .
Das bisherige Verfahren habe sich im großen und ganzen bewährt und die Erwartun
gen nach umfassender und schneller Entnazifizierung erfüllt. Die bei der ungeheuren
Anzahl der Fälle und der schnellen Bearbeitung fast unvermeidbaren Fehlentschei
dungen seien durch den PSR berichtigt worden. Als Vorlage hatte dem PSR-Entwurf
die württembergische Rechtsanordnung gedient; einige Teile waren wörtlich über
113 Henke, Politische Säuberung, S. 80ff.; Hudemann, Französische Besatzungszone, S. 240ff.
" 4 GM PA/A A/INT 4075: Magniez an Laffon, 12.7.1946; AOFAA DGAP c.233 p.51.
115 CCFA/CAB/C 5066: Laffon an Brozen-Favereau, 20.7.1946; AOFAA DGAP c.233 p.51.
116 GM PA/A A/INT 4550, 6571: Magniez an Koch, 25.7. (übersetzte Abschrift) u. 10.9.1946; LA SP H
13/745/634 u. 155.
117 Matheis erwähnte die Entschließung des CDU-Vorstandes vom 2. Oktober 1946 ("Die Rheinpfalz",
5.10.1946) , den Artikel des Mainzer Oberbürgermeisters Kraus ("Neuer Mainzer Anzeiger",
26.10.1946) und die Wahlkampfreden Eichenlaubs; ORP/PSR: Matheis: "Begründung zum Entwurf ei
ner Rechtsanordnung zur politischen Säuberung für das Gebiet Hessen-Pfalz", 11.11.1946; AOFAA
DGAP c.3306 p.117.