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5. Entnazifizierung in Hessen-Pfalz
5.1. Der Service Epuration
Lieutenant-Colone! Thiallet, der bisherige Leiter des 5 e Bureau unter General Bou-
ley, blieb bis zum Winter 1945 für die Entnazifizierung zuständig. Seit Mitte August
1945 arbeitete der Elsässer Rene Schneider als stellvertretender Leiter des Service
Interieur et Cultes unter ihm. Schneider übernahm Ende Dezember 1945 die Leitung
des neu eingerichteten Service Epuration. Der Geographie- und Französischlehrer
Schneider war nach seiner Entlassung aus deutscher Kriegsgefangenschaft im Früh
jahr 1941 wieder an seine Schule in Phalsbourg zurückgekehrt. Nachdem er Anfang
August 1945 aus dem Dienst des Unterrichtsministeriums ausgeschieden war, wurde
er vierzehn Tage später in das Korps der ASTO aufgenommen und in der Pfalz ein
gesetzt. Obwohl er sich bald allgemein-politischen Fragen zuwandte, blieb Schneider
bis 1950 der Verantwortliche in der Militärregierung für die Entnazifizierung. Sein
Vorgesetzter, der Chef du Service des Affaires Administratives, Robert Magniez,
übte keinen entscheidenden Einfluß auf die Entnazifizierung aus. Der Jurist und Po
litikwissenschaftler Magniez war bereits von 1919 bis November 1925 als französi
scher Besatzungsoffizier in der Pfalz gewesen 1 .
Institutionell war der Service Epuration dem Service des Affaires Administrati-
ves/Section de l'Interieur et Cultes untergeordnet. Er umfaßte neben der eigentlichen
Entnazifizierungsabteilung ein umfangreiches Archiv: 40.000 Parteiakten und
600.000 Gestapo-Karteikarten dienten zur Verifizierung der Angaben in den politi
schen Fragebögen. Schneider standen zahlreiche Mitarbeiter zur Verfügung: Im Ja
nuar 1946 waren es 18 französische und 13 deutsche Angestellte, die er allerdings
nicht für ausreichend hielt, um den Erfordernissen einer zügigen Entnazifizierung ge
recht zu werden 2 . Folgende Aufgaben mußten erfüllt werden: Beantwortung von An
fragen, Entwurf von Richtlinien und Verordnungen, Anfertigung von Statistiken und
Karteien, Überprüfung der Angaben in den politischen Fragebögen und der deut
schen Sanktionsvorschläge 3 .
Die Entnazifizierung ging in der Pfalz zügig voran. Im August 1946 sprach Amal
seine Anerkennung für die Leistungen des Service Epuration aus 4 . Wenig später
1 Magniez galt als Förderer und Beschützer des deutschen Leiters der Entnazifizierung, Koch, und als
"starker Mann" der Militärregierung. Tatsächlich jedoch fanden seine antiquierten politischen Vorstel
lungen (u.a. Unterstützung des pfälzischen Separatismus) dort keinen Widerhall; so die Aussage Rene
Schneiders im Gespräch mit dem Verfasser am 5. April 1991 in Strasbourg. Siehe auch die Litera
turangaben in der Einleitung, Anm. 40.
2 GMPA7AA/INT: "Epuration du Personnel Allemand", 4.1.1946; AOFAA DGAP c.233 p.51.
3 Von jedem Betroffenen wurden drei Karteikarten für die nach Alphabet, Verwaltungen und nach
Sanktionen geordneten Karteien angefertigt; im Februar 1946 wurden täglich 700 Karteikarten erstellt;
ebd.; CCFA: Bericht von Pierre Grappin über seine Reise in die Pfalz, 18./19.2.1946; AOFAA DGAP
c.233 p.51.
4 Amal erreichte bei der zuständigen Stelle die Freigabe bestimmter Waren für die Mitarbeiter Schnei
ders. Es handelte sich dabei um 15 Kilo Mehl, 5 Kilo Butter und Zucker, 50 Eier, 10 Liter Milch, 40
Flaschen Wein und 20 Flaschen Champagner, die an das Personal des Service Epuration verteilt wer
den sollten; CCFA/CAB: Amal, 8.8.1946; AOFAA DGAP c.233 p.51.