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Anfang Juli 1946 bereiste der Baden-Badener Chef des Service Epuration, Amal, das
Saarland und begutachtete den Stand der Entnazifizierung. Sein Urteil war ver
nichtend. Er zeigte sich mit den bisherigen Ergebnissen im Verwaltungs- und im
Wirtschaftsbereich sehr unzufrieden. Die Ursache hierfür sah er vor allem in der per
sonellen Zusammensetzung der saarländischen Organe und der fehlenden Kontrolle
ihrer Arbeit durch den Service Epuration. Dieser sei weder materiell noch personell
ausreichend ausgestattet 6 . Außerdem sei die Kommunikation zwischen Brun und der
Verwaltung sowie den französischen Dienststellen sehr mangelhaft. Vor allem müßte
den französischen Offizieren die Bedeutung der Entnazifizierung für das Gelingen
der französischen Besatzungspolitik deutlich gemacht werden: Cela est particuliere-
ment important dans le domaine de l'economie oü les Services frangais ne paraissent
pas avoir toujours une vue suffisamment nette des necessites politiques 7 . Arnal hielt
eine grundlegende Neuordnung des Service Epuration für notwendig. Bei seinem
nächsten Besuch in Baden-Baden bekam Grandval diese Kritik vorgehalten. Da sich
auch in den saarländischen Parteien immer lauter Unmut regte 8 , und die Ernennung
der neuen saarländischen Verwaltungsspitze, der Verwaltungskommission, unmittel
bar bevorstand, entschloß sich Grandval im September, mit der Entlassung Bruns ein
positives Signal für eine neue Phase der Zusammenarbeit zu setzen 9 .
Brun selber fühlte sich ungerecht behandelt 10 . Ursächlich für den Rückstand der Ent
nazifizierung sei vielmehr die mangelnde Unterstützung durch die französischen
Dienststellen und das fehlende Interesse Grandvals 11 . Als treibende Kraft hinter sei
ner Entlassung vermutete er den Vorsitzenden der CVP, Johannes Hoffmann. Brun
kritisierte dessen Einmischung in laufende Säuberungsverfahren: Hoffmann rühme
sich in aller Öffentlichkeit, daß er über das Kabinett Grandvals Milderungen errei
chen könne. Durch eine hektische Aktivität in den ersten Oktobertagen versuchte
Brun zumindest die Entnazifizierung der Verwaltung zum Abschluß zu bringen 12 .
6 Amal mußte feststellen, daß weder ein Raum für das Archiv noch für die Sitzungen des CSE vorhan
den war; es fehlten selbst Aktenschränke; CCFA/CAB: Amal: Bericht über die Reise in das Saarland,
9.-12.7.1946; AOFAA DGAPc.232 p.48.
7 Ebd.
8 Im Oktober 1946 wurde der Service Epuration von der Christlichen Volkspartei (CVP) öffentlich kriti
siert: Der erweiterte Vorstand verabschiedete eine Entschließung, in der der unmögliche Zustand be
klagt wurde, daß eine andere Instanz als die saarländischen Epurationsorgane jederzeit deren Be
schlüsse ändern könne; SVZ Nr. 20/46 (12.10.1946) S. 2.
9 Grandval äußerte auch die Befürchtung, Brun könne wegen seines Privatlebens Gegenstand einer Pres
sekampagne der CVP werden und damit dem Ansehen der Militärregierung schaden; Brun an Amal,
26.9.1946; AOFAA DGAP c.232 p.48. Die "Berliner Zeitung" meldete am 19. Januar 1947, daß Brun
wegen einer Liebesbeziehung zu einer Frau für ehemalige Nationalsozialisten käuflich sei. Der Zei
tungsartikel wurde von der französischen Kontrollratsgruppe an das SGAAA nach Paris geschickt;
MAE Z EU/Sarre 1944^19 d.l/42f. Zur Verwaltungskommission siehe weiter unten.
10 Bruns Bitte um Beistand durch Laffon wurde nicht entsprochen. Siehe seine beiden Rechtfertigungs
schreiben an Amal, 26.9. u. 2.10.1946; AOFAA DGAP c.232 p.48. Er wurde aber nach seiner Entlas
sung vorübergehend im Service Epuration in Baden-Baden angestellt (siehe das Kapitel C.3.I.).
11 Bezeichnenderweise befinden sich im Privatarchiv Grandvals kaum Unterlagen zur Entnazifizierung.
Die vorhandenen Schriftstücke sind unter dem Titel "Expulsion" abgeheftet; AP GG.
12 Am 3. Oktober 1946 ordnete Brun an, daß alle Epurationsorgane, ausgenommen die Schulabteilung,
ihre Tätigkeit binnen 14 Tagen beendet haben müßten. Leroy widerrief zehn Tage später diese Anord