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Handlungen sind trotz wesentlicher Vorarbeiten zur amerikanischen und britischen
Politik 30 bislang ebensowenig detaillierter erforscht wie die spezifische französische
Finanzpolitik in Deutschland. Interallierte Planungen haben wohl nicht erst Ende
1945 im Kontrollrat eingesetzt, 31 sondern offenbar spätestens im Frühsommer 1945
in Versailles, noch bevor die alliierten Besatzungsverwaltungen in Deutschland auf
gebaut waren. 32 Amerikanische Erklärungen, die Franzosen hätten eine Währungsre
form auch deshalb verhindert, weil sie nicht einsahen, daß die Deutschen das Pro
blem ihrer Staatsverschuldung und drohenden Inflation auf so einfache Weise soll
ten lösen dürfen, 33 klingen angesichts der finanzpolitischen Kompetenz der zuständi
gen französischen Fachleute naiv. Auf die Problematik der zentralen Verwaltungen
in französischer Sicht wird zurückzukommen sein. 34 35 Eine wesentliche Rolle hat
jedenfalls der in dieser Frage vor allem ökonomisch und ordnungspolitisch bedingte
Ost-West-Gegensatz im Kontrollrat gespielt. 31 Ungeachtet der Blockierung in Berlin,
welche die Zonenkommandanten nach französischem Urteil zu selbständigen be
grenzten Stabilisierungsmaßnahmen zwang, 36 stand aber für die französische Besat
zungsmacht eine wirtschaftspolitische Liberalisierung, wie Wirtschafts- und Finanz
direktor Filippi auch rückblickend noch 1983 betonte, 1945 gar nicht ernsthaft zur
Debatte. Ohne Bewirtschaftungssystem wäre die Versorgung der Bevölkerung ange
sichts des unzureichenden Produktionsniveaus nach französischem Urteil nicht zu
bewerkstelligen gewesen. 37 Auch in der neueren Forschung erscheinen die Möglich
keiten für eine rasche Aufhebung des Bewirtschaftungssystems rückblickend eher
sehr begrenzt; so konstatieren Rothenberger für die Ernährungslage im Südwesten
und Stüber für Schleswig-Holstein, daß eine Verteilung des Mangels nach 1945
anders nicht zu bewerkstelligen gewesen und das freie Spiel des Marktes zu Lasten
der sozial und wirtschaftlich Schwächsten gegangen wäre. 38 Ohne das System wäre
allerdings die extensive Nutzung der Zonenwirtschaft für die Interessen des franzö
30 Wandel, bes. S. 94-141. Bereits 1956 auf amerikanische Akten gegründet: Gottlieb. Zur
britischen Politik: van Scherpenberg. Zum internationalen Kontext der Währungsrefor
men nach 1945 siehe u. a. Brown, Inflation; Salin, Währungsexperimente; Grotius, Die
europäischen Geldreformen, zu Deutschland (ohne Hinweis zur Vorgeschichte) S. 276 ff.
31 Wandel, S. 97.
32 Rene Sergent, 1945-1947 französischer Präsident des Wirtschaftsdirektoriums im Kontroll
rat, nahm an den Verhandlungen vor seiner Entsendung nach Deutschland bereits teil;
Mitteilung von Rene Sergent, Paris, 31. 5. 1983.
33 Zit. bei Wandel, S. 100.
34 Siehe unten S. 141 ff.
35 Vgl. u. a.: Bilan economique d’un an d’activite fransaise en Allemagne, 27. 8. 1946; MdAE
Y (1944-1949) 436. Zur Blockierung der Währungsreformdiskussionen im Kontrollrat 1945:
van Scherpenberg, S. 182 ff., und Gottlieb.
36 Vgl. GMZFO, Un an d’activite fran^aise en Allemagne, Baden-Baden 1946, hektogr., S. B 3.
31 Gespräch mit Jean Filippi in Paris, 3. 6. 1983.
Rothenberger, Hungerjahre; ders., Ernährungs- und Landwirtschaft; Stüber. Edgar Salin
sah in Deutschland aus wissenschaftlicher Sicht sozial, politisch und ökonomisch im inter
nationalen Vergleich die größte Handlungsfreiheit für eine Währungsreform gegeben; auch
er bezog dieses Urteil aber nur auf das Jahr 1948, in dem lediglich die divergierenden
Interessen der Sowjetunion einerseits und der Westmächte andererseits eine einheitliche
Lösung blockiert hätten; Salin, Währungsexperimente, S. 109.