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weitere Weichen für die wirtschaftspolitischen Kontroversen und Probleme der
Nachkriegsjahre.
Detailliertere Untersuchungen des Funktionierens des Bewirtschaftungsapparates
im „III. Reich“, 22 * die auch auf mikroökonomischer Ebene vorgenommen werden
müßten, sind bislang rar. Deutlich ist jedoch, daß das zentralverwaltungswirtschaft
liche System zumindest unzureichend funktioniert hat, soweit es sich überhaupt
durchsetzte. Über die Gründe dafür herrscht bisher keine Einigkeit. Die neuere
geschichtswissenschaftliche Diskussion neigt dazu, wesentliche Ursachen in den
internen politischen Gegensätzen des nationalsozialistischen Herrschaftsapparates,
in der mangelnden fachlichen Kompetenz der verantwortlichen Politiker und in der
Unterschätzung der Kriegsbelastungen angesichts der zunächst verfolgten Blitz
kriegstrategie zu sehen. 21 Daß die Wirtschaftsplanung bis zur Zentralisierung in der
Hand Speers ab 1942 nur eine „Teilplanung“ (Petzina) war, erscheint damit auch
durch das Verhältnis von Industrie und Staat im „III. Reich“ bedingt und durch die
nationalsozialistische Absicht, sich von einer „Vollplanung“ marxistischer Art abzu
setzen. 24 25 Andere Autoren neigen zu einer positiveren Einschätzung der Leistungsfä
higkeit des Systems selbst und führen die Schwierigkeiten trotz aller bürokratischer
Reibungsverluste in erster Linie auf die zunehmenden Probleme im Zeichen von
Luftkrieg, Zerstörungen und kurzfristig wechselnden militärischen Erfordernissen
zurück. 25
Neoliberale Nationalökonomen wie Walter Eucken 26 haben nach dem Krieg - als die
Debatte um die Zentralverwaltungswirtschaft unmittelbare politische Aktualität er
hielt - die Ursache für das unzureichende Funktionieren der deutschen Kriegswirt
schaft in der Struktur des zentralverwaltungswirtschaftlichen Apparates selbst gese
hen. Angesichts der von deutscher .Seite nach 1945 besonders scharf kritisierten
Charakteristika des grundsätzlich weitergeführten, jetzt aber von den Besatzungs
mächten geleiteten Bewirtschaftungssystems erscheinen einige Elemente dieser Ana
lysen ergiebig für die Untersuchung der im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit
zu lösenden sachgeschichtlichen Probleme. So sah Eucken in der zentralen Lenkung
eine Grundbedingung für die Aufrechterhaltung der Produktion in einem solchen
22 Überblick aus der Nachkriegsperspektive: Balabkins, Germany, S. 45 ff. Vgl. auch
Boelcke, Die deutsche Wirtschaft, bes. S. 253 ff.; Welter, Falsch und richtig planen.
21 Vgl. dazu u. a. Milward, Die deutsche Kriegswirtschaft; ders., Arbeitspolitik und Produkti
vität in der deutschen Kriegswirtschaft unter vergleichendem Aspekt, in: Forstmeier u.
Volkmann (Hg.), Kriegswirtschaft, S. 73-91; ders., Der Zweite Weltkrieg; Petzina, Autar
kiepolitik.
24 So Petzina, Autarkiepolitik, S. 198.
25 So bei aller Kritik an der Bürokratie die Grundtendenz von Boelcke, Die deutsche Wirt
schaft, z. B. S. 321.
26 Eucken, Grundlagen, bes. S. 126 ff., 398 f. Gegenüber der Auflage Jena 1 1941 (S. 95 ff., 305)
ist die Nachkriegsfassung z. T. leicht gekürzt, z. T. präzisiert und verschärft, wenn auch die
Grundlinie gleich bleibt; u, a. vereinfachte Eucken 1947 seine Morphologie der „zentralge
leiteten Wirtschaft“. Zur Rezeption vor 1945: Krause, Wirtschaftstheorie, S. 196 ff. Zur
Tätigkeit während des Krieges: Blumenberg-Lampe, Das wirtschaftspolitische Programm.