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Wirtschaftsaufschwung und die Nachfragesteigerung weitgehend neutralisiert bzw.
kompensiert, auch wenn Preisüberwachungsmaßnahmen seit 1931 eingeleitet waren
und mit der Zerschlagung der Gewerkschaften und der Einrichtung der „Treuhänder
der Arbeit“ 1933 das Steigen der Tariflöhne gebremst wurde. Mit dem verstärkten
Anlaufen des Wehraufbaus wurden die Inflationstendenzen jedoch 1936 offen durch
einen Preis- und 1938 auch durch einen Lohnstop staatlicherseits künstlich abgefan
gen.Da dieses System der zurückgestauten Inflation nicht nur die Arbeitslosigkeit
beseitigt hatte, sondern auch die sozialen Kosten der Wirtschaftspolitik in Grenzen
zu halten schien, ist es auch in der Wirtschaftswissenschaft vielfach auf Zustimmung
gestoßen. 20 Die Wirkung war - und damit ist die Problematik der Besatzungszeit
berührt - insofern erheblich, als der Bevölkerung die Folgen dieser Wirtschafts- und
Finanzpolitik nicht nur zunächst verborgen blieben, sondern sie ihre volle Wirkung
in der Tat auch erst nach dem Zusammenbruch entfaltete. Wilhelm Röpke hat aus
fast kämpferischer neoliberaler Position 1947 in der zurückgestauten Inflation „one
of the keys to the understanding of the present catastrophe of Europe“ gesehen,
nachdem auch die meisten anderen kriegführenden Staaten das System während des
Krieges in mehr oder weniger ausgeprägter Form angewandt hatten. 21
Die zurückgestaute Inflation stand in engem Zusammenhang mit dem Versuch
verstärkter Einführung zentralverwaltungswirtschaftlicher Elemente. Sie
bildeten einen weiteren wesentlichen institutioneilen Faktor bei der Intensivierung
der Rüstungs- auf Kosten der Konsumgüterindustrie und stellten damit zugleich * 25
Sicht s. zusammenfassend, mit Nachweis der älteren Literatur, die Beiträge in: Währung und
Wirtschaft, in scharfer Kritik an der Politik Brünings und der Reichsbank darin Irmler,
Bankenkrise, sowie in Betonung der sozialen Errungenschaften der nationalsozialistischen
Politik Albers. Zur Arbeitsbeschaffungspolitik s. im übrigen fast die gesamte wirtschaftsge
schichtlich orientierte Literatur zum „III. Reich“ (vgl. oben Anm. 5), darunter Barkai,
Wirtschaftssystem, S. 125 ff.; Frei, Die theoretischen Grundlagen; theoriebezogen: Bresci-
ani-Turroni, Einführung, S. 200 ff. Geraffter Überblick zur Wirkung der Weltwirtschafts
krise auf die Entwicklung des Staatsinterventionismus im internationalen Vergleich (USA,
Großbritannien, Japan, Frankreich, Deutschland) bei Karl Erich Born, Government Action
against the Great Depression, in: van der Wee (Hg.), The Great Depression,
S. 45-58; vgl. auch Mark Eyskens, The Influence of the Great Depression on Economic
Theory, in: ebd., S. 24-42.
Preisstopverordnung vom 26. 11. 1936, RGBl. 1936 I, S. 955, und Lohnstopverordnung vom
25. 6. 1938, RGBl. 1938 I, S. 691. Bezeichnenderweise spielt die Lohnpolitik in dem anson
sten sehr nützlichen Kompendium des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung
im „Dritten Reich“, Friedrich Syrup, Hundert Jahre staatliche Sozialpolitik, so gut wie keine
Rolle. Vgl. u. a.: Frei, Die theoretischen Grundlagen, S. 65 ff., Kritik S. 150 ff.; Erbe,
Wirtschaftspolitik, S. 83 ff.; Mason, Sozialpolitik, S. 137 ff.
Als ein Beispiel unter vielen siehe dazu Erich Preiser, Der Begriff des Preisniveaus und
das Problem der Kaufkraftstabilisierung (1943), wieder abgedruckt in: ders., Bildung,
S. 389-410, hier bes. S. 403ff.; Preiser warnte allerdings vor einer übermäßigen staatlichen
Geldschöpfung und forderte eine gerechte Verteilung der Steuerlast. Zu Preisers Position im
„III. Reich“ vgl. Krause, Wirtschaftstheorie, S. 73. Unter jüngeren Arbeiten vgl. Stucken,
Geld- und Kreditpolitik, bes. S. 116 ff. Umfassende Aufarbeitung der deutschen wirtschafts
wissenschaftlichen Diskussion während des „Dritten Reiches“ bei Frei, Die theoretischen
Grundlagen, sowie der wirtschaftspolitischen Diskussion bei Herbst, Der Totale Krieg.
Röpke, Repressed Inflation, S. 253.