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Kompromiß, der weitgehend den zuvor in der amerikanischen Zone praktizierten
Lösungen entsprach und für Teile der französischen Zone aus Sicht der Betroffenen
wiederum einen Rückschritt bedeutete. Die Pflichteinstellungsquote wurde auf 8%
festgelegt, für öffentliche Verwaltungen, Banken und Bausparkassen auf 10%. Ein
bezogen wurden Schwerkriegsbeschädigte sowie Opfer des Nationalsozialismus und
Zivilblinde; Minderbeschädigte ab 30% Invalidität konnten in besonderen Fällen
berücksichtigt werden. Die kleineren Verbände hatten sich allerdings insoweit we
nigstens teilweise durchgesetzt, als Kriegsblinde und Hirnverletzte sowie Beschädig
te ab 80% Invalidität in angemessenem Umfang zu berücksichtigen waren und eine
Sonderfürsorge für diese Gruppen damit zumindest grundsätzlich aufgenommen
war. Die Forderung der Verbände nach völliger Gleichstellung von Kriegs- und
Zivilbehinderten, in der das seit 1945 durchgesetzte Mischverbandsprinzip zum
Ausdruck kam, erfolgte in der Bundesrepublik jedoch erst mit dem Schwerbehinder
tengesetz von 1974.
Mitte* 1953 waren mit dem Schwerbeschädigtengesetz und mit den Sozialwahlen die
Sonderwege des Südwestens nach 1945 größtenteils zu Ende gegangen. Nur wenige
günstigere Regelungen der ehemaligen französischen Zone blieben über die Zeit
hinaus erhalten, etwa in einigen Bestimmungen der Wiedergutmachung.
Weshalb die Bundesrepublik ihren Kriegsopfern keine großzügigere Versorgung
zugestehen konnte, wird auch am internationalen Vergleich deutlich: Die
Kriegsopfer waren in Deutschland erheblich zahlreicher als in den meisten anderen
Ländern. 1953 schätzte der Weltfrontkämpferbund, ohne allerdings die osteuro
päischen Länder einzubeziehen, die Anteile der Kriegsopfer an der Bevölkerung
verschiedener Länder auf folgende Sätze:
Tabelle 26 ANTEIL DER ANERKANNTEN KRIEGSOPFER AN DER BEVÖLKERUNG
IM INTERNATIONALEN VERGLEICH 1953
Bundesrepublik
8,8 %
Österreich
7,2 %
Finnland
5,5 %
Frankreich
3,3 %
Italien
2,7 %
Großbritannien
2,1 %
Belgien
2,0 %
Vereinigte Staaten
1,37%
Kanada
1,36%
Jugoslawien
1,3%
Japan
0,9 %
Norwegen
0,31 %
Quelle: Gerd Brinkmann, Grundrenten - Renten ohne Grund? in: VdK-Mitteilungen 4 (1954)
S. 193-198, hier S. 195 f., nach Berechnungen des Weltfrontkämpferbundes.
Diese Zahlen geben nur Anhaltspunkte, da, wie beschrieben, nicht alle Betroffenen
in den offiziellen Statistiken erscheinen. Zudem sind die Definitionskriterien, insbe
sondere für Schwerbeschädigte, in den einzelnen Ländern sehr verschieden. So
wurde der Verlust der rechten Hand 1956 in der Bundesrepublik mit einer Erwerbs
minderung von 50% bewertet, in Österreich, Kanada, England, Finnland und Hol
land mit 60 %, in Belgien mit 65 %, in den USA und Jugoslawien mit 70 %, in Italien
und Neuseeland mit 75 % und in Frankreich mit 85 %. 24 Auch in der Bewertung der
individuellen Kriegsfolgen nahmen die deutschen Kriegsopfer im internationalen
Vergleich damit eine besonders ungünstige Stellung ein.
24 Donner, S. 15.