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blieb zwischen Landesarbeitsamt und Hauptfürsorgestelle allerdings noch jahrelang
strittig. 14
Tatsächlich traf die Arbeitsvermittlung der Schwerbeschädigten jedoch auf erhebli
che Probleme, und zwar von Seiten der Betroffenen selbst: die niedrigen Freibeträge
für eigenes Einkommen in der württembergischen Versorgungsregelung von 1945
gaben so gut wie keinen Anreiz dafür, selbst zu arbeiten. Gegenüber der Militärregie
rung wurde dies zum ersten Ansatz dafür, die stockenden Verhandlungen über die
Versorgungsgesetzgebung wieder in Gang zu bringen.
1946 hatte die Militärregierung zunächst einen Entwurf ausgearbeitet, der die
Durchführung der Versorgung nach den Regeln der Unfallversicherung vorsah; ob
es sich dabei, wie zu vermuten, um die beschriebenen Baden-Badener Planungen
oder um einen eigenen Tübinger Entwurf handelte, war nicht mit Sicherheit festzu
stellen, da der Text nicht aufzufinden war. 15 16 An die deutschen Stellen ist er zunächst
offenbar deshalb nicht gelangt, weil die Franzosen den Kontrollratsberatungen nicht
vorgreifen wollten. 1947 kamen neue Gesetzesinitiativen jedoch etwa zugleich
von drei Seiten und brachten die stockenden Planungen wieder in Gang.
Als im Juli 1947 der neu gewählte Landtag zusammentrat, forderten CDU und SPD
in verschiedenen Anträgen unverzüglich eine Angleichung der Leistungen an das
südbadische Niveau sowie eine Intensivierung der Berufsfürsorge. Das Plenum
verlangte daraufhin im November von der Regierung die Vorlage eines Versorgungs
gesetzes.“ Die KP schlug zugleich eine umwälzende Neuerung vor, indem sie die
Angleichung der Kriegsopferversorgung an die Beamtengesetzgebung forderte: Be
rechnung der Renten nach den für vergleichbare Beamte bzw. deren Hinterbliebene
gültigen Grundsätzen, dazu Zulagen für teilweise oder voll erwerbsfähige Versehr
te. 17 In diametralem Gegensatz zu der in der sowjetischen Zone zugleich praktizier
ten Lösung bedeutete dies eine Revolution im deutschen Beamtenrecht, angesichts
derer der verblüffte Landtag lediglich die Überweisung an die Regierung als Mate
rial beschloß.
Mittlerweile hatte das Tübinger Hauptversorgungsamt sich Ende August an die
Militärregierung gewandt und auf die mangelnden finanziellen Anreize für die Ar
beit der Schwerbeschädigten hingewiesen; 18 die wirtschaftliche und soziale Reinte
gration werde auf diese Weise je länger um so schwieriger (sic), eine Revision der
Versorgungsregelungen sei daher notwendig. Schließlich griff Landtagsvizepräsi
dent Fritz Fleck auch in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftsvorsitzender und im
Vgl. z. B. Direktorium 1. 2. 1946, Protokoll in StA S1G Wü 2/774. Abgelehnter KP-Antrag
auf Rückgliederung an die Fürsorgebehörden, Verh. LT WH Beil. 91, 5. 2. 1948, u. Plenarde-
batte 23. 6. 1948, Verh. LT WH, S. 392 f. Landtagsschriftverkehr zu diesen und zu weiteren
Initiativen zur Schwerbeschädigteneingliederung in StA SIG Wü 1/23.
Vgl. Jahresbericht der Tübinger Section Travail für 1946, S. 11, und 1947, S. 31; AdO Colmar
C. 2546. Siehe oben S. 458 f.
16 Verh. LT WH, Beil. 10, 14 u. 15, 22.-23. 7. 1947, Beil. 47, 28. 10. 1947 (Ausschußbeschlüsse)
u. Plenum 5. 11. 1947, S. 112 f.; Schriftverkehr in StA SIG Wü 1/23.
" Verh. LT WH, Beil. 50 u. 54,5. 11. 1947, sowie Plenum 6. 11. 1947, S. 142.
Hauptversorgungsamt an MR, 29. 8. 1947, AdO Colmar WH C. 1196/2, sowie Jahresbericht
der Section Travail 1947, S. 31, ebd. C. 2546.