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nerfranzösischen Machtkampfes zwischen den Gouverneuren Hettier de Boislam
bert im Norden und Brozen-Favereau im Süden zugunsten von Boislambert ging
dieser daran, seine Kontrolle über das Land auszubauen. Bei einer Zersplitterung,
wie sie in der Kriegsopferversorgung herrschte, war die deutsche Verwaltung jedoch
nur sehr schwer zu überwachen. 28 ln Rheinland-Pfalz traf die allgemein in der Zone
zu beobachtende, relativ positive Haltung der Franzosen gegenüber den Kriegsop
fern damit zusammen mit der spezifischen politischen Konstellation des Winters
1946/47.
Vor diesem Hintergrund ist die Initiative zu sehen, die im Frühjahr 1947 nun wieder
um von der Militärregierung ausging: Während die Kriegsopferfrage im Zusammen
hang der Verfassungsberatungen in der Beratenden Landesversammlung von den
Parteien aufgegriffen wurde, forderte der Arbeitsoffizier Mitte März Arbeitsminister
Röhle auf, einen Gesetzentwurf zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen
Kriegsopferregelungen vorzulegen und als Grundlage die Neustädter Verord
nung vom Dezember 1945 zu nehmen, deren Anwendung in der Pfalz bisher nur gute
Resultate erbracht hat. Dabei wurde ausdrücklich daraufhingewiesen, daß dies trotz
der laufenden Kontrollratsverhandlungen in der Frage geschehen solle. 29 Damit war
von französischer Seite nicht eine Nivellierung des Versorgungsniveaus im Lande,
sondern die Vereinheitlichung auf dem höchsten im Lande gültigen Niveau angeord
net.
Die Reaktion der deutschen Verwaltung war verwirrend. Zunächst legte das Arbeits
ministerium sofort einen Verordnungsentwurf vor, demzufolge die Hessen-Pfalz-Re-
gelung auf Landesebene übernommen, die Leistungen aber auf einem mittleren
Niveau nivelliert werden sollten. 30 Etwas später schrieb der Minister selbst, man
arbeite an einem neuen Entwurf, und entschuldigte sich Ende Mai 1947 dafür,
während der Vorbereitungen zu Landtagswahl und Regierungsbildung zur Schaf
fung eines einheitlichen Versorgungsrechtes nicht gekommen zu sein; man möge daher
bitte den Entwurf vom März genehmigen. 31
Inzwischen hatte der Anspruch auf eine angemessene Versorgung von Opfern des
Faschismus und Kriegsopfern auf eine SPD-Initiative hin, doch unter Zustimmung
aller Parteien, Verfassungsrang erhalten. 32 Wie in der Frage der Selbstverwaltung der
Sozialversicherung bildete die rheinland-pfälzische Verfassung hierin einen Kon
trast zu den übrigen deutschen Landesverfassungen der Nachkriegszeit, in denen die * 34
Dieser Gesichtspunkt kommt im französischen Schriftverkehr häufiger zum Ausdruck, so
z. B. in der Vorlage von Thibault für die entscheidende Besprechung zwischen Koenig und
^ Altmeier, 13. 1. 1949; AdO Colmar C. 897/5-10-3.
Thibault an Arbeitsminister Röhle, 19. 3. 1947; ebd. 5-10-1. Zu den Parteien vgl. Anm. 32. u.
34.
Entwurf vom 22. 3. 1947 ebd. Die Renten wurden für die Schwerbeschädigten relativ niedri
ger, für die Minderbeschädigten relativ höher angesetzt als in Hessen-Pfalz.
Schreiben Röhles an Militärregierung vom 19. 4. und 24. 5. 1947; ebd.
Artikel 139 der Landesverfassung. Vgl. Antrag von Herbert Buhl (SPD) im Verfassungsaus
schuß der Beratenden Landesversammlung, 7. 3. 1947; Klaas, S. 158. Bereits am 24. 1. 1947
hatte die KP-Fraktion die Ausdehnung der Neustädter Schwerbeschädigten-Versorgung auf
das ganze Land gefordert; Archiv BLV in LTA RLP.