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Sozialversicherung - die Dezentralisierungslinie schließlich durchsetzte und in der
die Rolle der Baden-Badener Zentrale auf die Planung der Rahmenbedingungen
begrenzt wurde. Im Sommer 1945 fielen die ersten Maßnahmen, wie zu zeigen sein
wird, auf regionaler Ebene sehr unterschiedlich aus und wurden vermutlich von
Baden-Baden aus nur wenig koordiniert. Bereits in der ersten Grundsatzdirektive für
die Sozialpolitik ordnete Generalverwalter Laffon Mitte Oktober 1945 aber an,
arbeitsunfähige Kriegsopfer seien bis zur Etablierung eines Versorgungssystems
durch die Fürsorge zu betreuen, und im November folgte der Versuch, die Kriegsop
ferleistungen ebenso wie die anderen Rentenzahlungen zonenweit zu vereinheit
lichen und das Versorgungssystem damit stärker zentral zu steuern. 4
Zugleich setzten aber in Berlin die Kontrollratsplanungen ein, welche in der
Grundtendenz die scharfe Linie der anderen Alliierten zu bestätigen begannen. 5
Wiederum wie in der Sozialversicherung, ist in den folgenden Jahren ein ständiges
Lavieren der Baden-Badener Zentrale zwischen den Planungsetappen des Kontroll-
rats und der in der Zone für richtig befundenen Linie zu beobachten; einige der
Widersprüche und Wendungen der französischen Politik, die auf Länderebene zu
verfolgen sein werden, standen wie bei Briten und Amerikanern in direktem Zusam
menhang mit den einzelnen Stufen der Kontrollratsarbeit in Berlin, mit denen in
direkte Kollision zu geraten die Franzosen sich auch in dieser Frage nach Möglich
keit hüteten. Daraus entwickelten sich einige bemerkenswerte Konstruktionen. So
folgte Baden-Baden um die Jahreswende 1945/46 den Berliner Planungen, die Ver
sorgungsverwaltung aufzulösen, obwohl der französische Vertreter in Berlin mit dem
Hinweis auf die technische Notwendigkeit der Beibehaltung dieser Infrastruktur
dagegen protestiert hatte. Als „Lösung“ beschloß die Konferenz der Zonen-Arbeits
offiziere etwa im Januar 1946 in Baden-Baden, die Versorgungsämter zwar aufzulö
sen, sie jedoch durch Hauptfiirsorgeämter zu ersetzen - was in der Praxis auf die
Erhaltung der Versorgungsverwaltung hinauslief, aber eine politische Konzession an
die „anti-militaristische“ Berliner Linie bedeutete. 6 Die Praxis entwickelte sich auch
hier nach Ländern etwas unterschiedlich, insgesamt jedoch in diesem Sinn.
Im Frühjahr 1946 entwarfen die französischen Planungsstellen unter anderem einen
detaillierten Plan für die Organisation der beruflichen Rehabilitation und der Wie
dereingliederung der Schwerbeschädigten, in dem sie, auch angesichts des Fachar
beitermangels in der Zone, sowohl auf die ökonomischen Bedürfnisse der unter
schiedlichen Wirtschaftszweige wie auf die medizinische und psychologische Pro
Laffon an Delegues superieurs, 13. 10. 1945; AdO Colmar Cab. Koenig C. 199/C III 2 d.
Protokoll der Commission d’examen de la question des pensions et retraites titulaires allemands
[sic], die unter dem Vorsitz des stellvertretenden Direktors für Verwaltungsangelegenheiten,
Perier de Feral, am 6. 11. 1945 erstmals in Baden-Baden tagte; AdO Colmar CGAAA
C.2672/11.
5 Vgl. oben S. 401 ff.
Das Datum der Konferenz war nicht genauer zu klären. Vgl. Rundverfügung des Administra-
teur general adjoint an die Landesgouverneure, 19. 1. 1946, AdO Colmar Bade 2413, sowie
zusammenfassende Darstellung in persönlichem Schreiben von Arbeitsdirektor Schwartz an
den rheinland-pfälzischen Arbeitsoffizier Thibault, 23. 4. 1948, ebd. RLPC. 897/5-10-1.