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verschieden. Die wenigsten Änderungen am bestehenden Schwerbehinderten-Ver-
mittlungssystem wurden in der britischen Zone vorgenommen.” Die britische Mili
tärregierung war offiziell der Auffassung, daß dieser Komplex zonenübergreifend
möglichst einheitlich zu regeln sei und nicht mit vorläufigen Maßnahmen eingegrif
fen werden sollte.” Tatsächlich hatte sie, wie sich in den internen Kontrollratsver-
handlungen zeigte, * 56 57 kein Interesse an der Einstellung nicht voll leistungsfähiger
Arbeitskräfte und sah in der ökonomischen Effizienz der Betriebe eine absolute
Priorität. Das Zentralamt für Arbeit in der britischen Zone, das auf einen umfassen
den Schutz der Schwerbeschädigten drängte, konnte sich mit seinem Standpunkt
daher nur ansatzweise durchsetzen.
Ein Gesetz erging in der britischen Zone nicht, doch nach langen Verhandlungen
regelten zwei Erlasse, allerdings erst Anfang 1948, wenigstens eine extensivere Aus
legung des Weimarer Schwerbeschädigtengesetzes als bisher. 58 Die Militärregierung
genehmigte eine Erhöhung des Pflicht-Einstellungssatzes nicht, so daß das Zentral
amt für Arbeit nur generell höhere Zuweisungsraten nicht ausschließen, jedoch
keine entsprechenden Sanktionen bei Nichtbefolgen vorsehen konnte. Strukturell
bedeutsam war, daß entsprechend den Verbandsforderungen 59 alle Körperbeschä
digten den Kriegsbeschädigten gleichgestellt wurden und die Einbeziehung von
Minderbeschädigten (30%-50%) im Einzelfall möglich war. Die - in der Weimarer
Republik allerdings gleichfalls mögliche - Ausweitung des vom Schwerbeschädig
tengesetz ursprünglich betroffenen Personenkreises auf Zivilbeschädigte entsprach
der Politik, wie die Alliierten sie mit dem Mischverbandsprinzip bei den Kriegs
opferverbänden verfolgten, ist in der Bundesrepublik aber 1953 teilweise wieder
zurückgenommen und erst 1974 im Schwerbehindertengesetz verwirklicht worden.
Entschieden wurde zweitens der Grundsatzstreit, ob die Vermittlung der Schwerbe
schädigten wie bisher durch die Fürsorgeämter oder aber die Arbeitsämter erfolgen
solle; gegen die Arbeitsämter führten die Kriegsopferverbände ins Feld, daß diese
die auch medizinisch komplizierte Materie nur unzureichend beurteilen könnten
und daher die Gefahr einer zu starken Berücksichtigung der Interessen der Wirt
schaft zu Lasten der Beschädigten bestehe. 60 Die Erlasse trennten jedoch nach dem
Prinzip: Arbeitsvermittlung den Arbeitsämtern, Fürsorge den Fürsorgestellen. 61 Insge
samt war die Durchführung des Schwerbeschädigtengesetzes sowie des Kontrollrats-
prinzips, jeden für einen Körperbehinderten geeigneten Arbeitsplatz auch mit einem
solchen zu besetzen, jedoch in der britischen Zone im wesentlichen vom guten
Willen aller Beteiligten abhängig - eine Lösung, die die deutsche Arbeitsverwaltung
als denkbar unbefriedigend empfand. Eine verbindlichere Formulierung wurde le
Vgl. dazu im Überblick Friedensburg; Breil, S. 88 f.
56 Vgl. Friedensburg.
57 Vgl. oben S. 402 ff.
Erlasse des Zentralamts für Arbeit in der britischen Zone, 7. 2. u. 5. 4. 1948; Arbeitsblatt für
die britische Zone 2 (1948), S. 82 f. u. 122.
Vgl. Rohrpostbrief Nr. 8 (Aug. 1947).
60 Vgl. ebd. Nr. 4 (März 1947).
So Friedensburg, S. 216. Vgl. allgemein dazu auch Schreiber, Deutsche Lösung, S. 76 ff.