Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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verschieden. Die wenigsten Änderungen am bestehenden Schwerbehinderten-Ver- 
mittlungssystem wurden in der britischen Zone vorgenommen.” Die britische Mili 
tärregierung war offiziell der Auffassung, daß dieser Komplex zonenübergreifend 
möglichst einheitlich zu regeln sei und nicht mit vorläufigen Maßnahmen eingegrif 
fen werden sollte.” Tatsächlich hatte sie, wie sich in den internen Kontrollratsver- 
handlungen zeigte, * 56 57 kein Interesse an der Einstellung nicht voll leistungsfähiger 
Arbeitskräfte und sah in der ökonomischen Effizienz der Betriebe eine absolute 
Priorität. Das Zentralamt für Arbeit in der britischen Zone, das auf einen umfassen 
den Schutz der Schwerbeschädigten drängte, konnte sich mit seinem Standpunkt 
daher nur ansatzweise durchsetzen. 
Ein Gesetz erging in der britischen Zone nicht, doch nach langen Verhandlungen 
regelten zwei Erlasse, allerdings erst Anfang 1948, wenigstens eine extensivere Aus 
legung des Weimarer Schwerbeschädigtengesetzes als bisher. 58 Die Militärregierung 
genehmigte eine Erhöhung des Pflicht-Einstellungssatzes nicht, so daß das Zentral 
amt für Arbeit nur generell höhere Zuweisungsraten nicht ausschließen, jedoch 
keine entsprechenden Sanktionen bei Nichtbefolgen vorsehen konnte. Strukturell 
bedeutsam war, daß entsprechend den Verbandsforderungen 59 alle Körperbeschä 
digten den Kriegsbeschädigten gleichgestellt wurden und die Einbeziehung von 
Minderbeschädigten (30%-50%) im Einzelfall möglich war. Die - in der Weimarer 
Republik allerdings gleichfalls mögliche - Ausweitung des vom Schwerbeschädig 
tengesetz ursprünglich betroffenen Personenkreises auf Zivilbeschädigte entsprach 
der Politik, wie die Alliierten sie mit dem Mischverbandsprinzip bei den Kriegs 
opferverbänden verfolgten, ist in der Bundesrepublik aber 1953 teilweise wieder 
zurückgenommen und erst 1974 im Schwerbehindertengesetz verwirklicht worden. 
Entschieden wurde zweitens der Grundsatzstreit, ob die Vermittlung der Schwerbe 
schädigten wie bisher durch die Fürsorgeämter oder aber die Arbeitsämter erfolgen 
solle; gegen die Arbeitsämter führten die Kriegsopferverbände ins Feld, daß diese 
die auch medizinisch komplizierte Materie nur unzureichend beurteilen könnten 
und daher die Gefahr einer zu starken Berücksichtigung der Interessen der Wirt 
schaft zu Lasten der Beschädigten bestehe. 60 Die Erlasse trennten jedoch nach dem 
Prinzip: Arbeitsvermittlung den Arbeitsämtern, Fürsorge den Fürsorgestellen. 61 Insge 
samt war die Durchführung des Schwerbeschädigtengesetzes sowie des Kontrollrats- 
prinzips, jeden für einen Körperbehinderten geeigneten Arbeitsplatz auch mit einem 
solchen zu besetzen, jedoch in der britischen Zone im wesentlichen vom guten 
Willen aller Beteiligten abhängig - eine Lösung, die die deutsche Arbeitsverwaltung 
als denkbar unbefriedigend empfand. Eine verbindlichere Formulierung wurde le 
Vgl. dazu im Überblick Friedensburg; Breil, S. 88 f. 
56 Vgl. Friedensburg. 
57 Vgl. oben S. 402 ff. 
Erlasse des Zentralamts für Arbeit in der britischen Zone, 7. 2. u. 5. 4. 1948; Arbeitsblatt für 
die britische Zone 2 (1948), S. 82 f. u. 122. 
Vgl. Rohrpostbrief Nr. 8 (Aug. 1947). 
60 Vgl. ebd. Nr. 4 (März 1947). 
So Friedensburg, S. 216. Vgl. allgemein dazu auch Schreiber, Deutsche Lösung, S. 76 ff.
	        
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