398
Rückgliederung der Soldaten in das Zivilleben, die beiden das WFVG durchziehen
den gegensätzlichen Grundlinien, beide deutlich wurden. In der Konsequenz der
Fortentwicklung des alten Versorgungsrechtes lag beispielsweise die Einführung
einer Krankenversicherung für Kriegshinterbliebene im Jahre 1939, die durch ihr
Publikationsdatum als Führergabe zu Hitlers Geburtstag allerdings zugleich einen
nationalsozialistischen Propagandaanstrich erhielt. 41 Da die kostenlose Heilbehand
lung bislang auf die Beschädigten beschränkt war, sahen die Hinterbliebenen sich,
soweit sie nicht durch andere Arbeitsverhältnisse selbst versichert waren oder ihre
Fürsorgestelle eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hatte (Kannbestim
mung in § 23 RVG), im Krankheitsfall häufig auf die Fürsorge angewiesen, was
gegebenenfalls auch nachträgliche Erstattung der Aufwendungen an die Fürsorge
stelle bedeutete. Im Frühjahr 1939 wurden sämtliche rentenberechtigten Hinterblie
benen in eine zum größeren Teil vom Reich und zum kleineren Teil von den Betrof
fenen Finanzierte Krankenversicherung einbezogen, deren Kosten das Reich ab 1940
voll übernahm. Nach 1945 brachte der Wegfall der Reichszuschüsse die Einheits
krankenkasse in der französischen Zone, welche diese in den anderen Zonen meist
entfallenen Leistungen weitertrug, in erhebliche Finanzielle Schwierigkeiten. 42
Der nahende Krieg zeichnete sich besonders deutlich in dem Anfang Juli 1939
erlassenen Einsatzfürsorge- und -Versorgungsgesetz (EWFVG) ab. 43 Ohne strukturelle
Änderungen an dem System von 1938 vorzunehmen, erhöhte es durch ein breit
gefächertes Zulagesystem die Leistungen für Soldaten, welche bei opferfreudigem
Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens während eines besonderen Einsatzes durch
Waffen oder sonstige Kampfmittel oder im Kampfgebiet einen Körperschaden erlitten
haben (Präambel), sowie für ihre Hinterbliebenen. Zulagen wurden für Versehrten
geld, Sterbegeld, Witwen- und Waisen- sowie Elternbezüge vorgesehen, und zwar in
der Regel ohne Anrechnung anderer Einkommen; sie erhielten damit den Charakter
einer Art Kriegsprämie. Am Tag des Kriegsbeginns wurden die Bestimmungen des
WFVG in der Personenschädenverordnung mit geringen Abweichungen auch auf
zivile Kriegsopfer ausgedehnt. 44 Im Ersten Weltkrieg war dieses Problem noch kaum
aufgetreten und staatlicherseits auch erst spät, im Kriegspersonenschädengesetz von
1922, in Angriff genommen worden. 45 1939 wurde es jedoch sofort geregelt: die
Leiden der Zivilbevölkerung im modernen Krieg warfen ihre Schatten im trockenen
Juristendeutsch voraus.
41 Verordnung über die Krankenversicherung für Kriegshinterbliebene, 20. 4. 1939; RGBl. 1939 I,
5. 791. Vgl. Staib, S. 26 f.; Syrup u. Neuloh, S. 529; Brückmann, S. 74 ff. (mit Einzelheiten
zur Weiterentwicklung und Differenzierung nach Kriegsausbruch).
42 Vgl. dazu oben S. 374.
43 Fürsorge- und Versorgungsgesetz für die ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht bei besonde
rem Einsatz und ihre Hinterbliebenen - Einsatzfürsorge- und -Versorgungsgesetz - (EWFVG),
6. 7. 1939; RGBl. 1939 I, S. 1217-1224.
44 Verordnung über die Entschädigung von Personenschäden (Personenschädenverordnung),
1. 9. 1939, RGBl. 1939 I, S. 1623-1625, novelliert am 10. 11. 1940, RGBl. 1940 I, S. 1482 ff.
Zusätzlich geregelt wurden beispielsweise die Renten für minderjährige Versehrte.
45 15.7. 1922, in der Fassung v. 22. 12. 1927 in RGBl. 1927 I, S. 533 ff.; vgl. Breil, S. 60.