Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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der Gouverneur jetzt intern für eine Genehmigung des Gesetzes plädierte. 68 Ähnlich 
wie Altmeier taktierte Gebhard Müller in Tübingen. 69 
Die Entscheidung fiel nun auf höchster Ebene: Anläßlich des Besuches von Außen 
minister Robert Schuman in der französischen Zone setzten sich die Regierungs 
chefs direkt bei dem neuen Hochkommissar Francis-Poncet für die Genehmigung 
des Gesetzes ein. 70 Wenige Tage später erhielten alle Landesregierungen die Geneh 
migung. 71 Allerdings hatte die Militärregierung noch Steuererhöhungen durchge 
setzt, um einen Teil der Gelder aufzubringen. 72 
Sofort erwies sich allerdings, daß die Finanzminister und die Militärregierungen 
recht gehabt hatten mit ihrer Skepsis gegenüber der Finanzierbarkeit des Gesetzes. 
Seit dem Frühsommer 1949 war in den deutschen Parlamenten von verschiedenen 
Seiten daraufhingewiesen worden, daß die in Grundgesetz-Artikel 120 vorgesehene 
Deckung der Sozialversicherungs-Fehlbeträge durch den Bund zu einem allgemei 
nen Lastenausgleich unter den Ländern ausgebaut werden müsse. Dieser Übergang 
auf die Bundesebene läutete das Ende sozialpolitischer Sonderwege im Südwe 
sten ein - eine Folge, welche die Parlamente der französischen Zone in ihrer Hoff 
nung auf die Bundesfinanzen allerdings, nach den Debatten zu urteilen, offenbar 
nicht einkalkuliert hatten. 
Die Koblenzer Landesregierung stellte am gleichen Tag, an dem sie so energisch 
gegen das französische Veto protestierte, schon fest, daß die Mittel für die Auszah 
lung der Renten nicht vorhanden waren. 73 Versuche, aus der Bizone Vorschüsse auf 
einen späteren Lastenausgleich zu erhalten, waren bereits zuvor gescheitert. 74 Der 
Landesregierung blieb nichts anderes übrig, als die für den 1. Juni 1949 zugesagte 
06 Landtagsresolution: LT RLP Dr. II 1155; vgl. Sozialpolit. Ausschuß, 24.8. 1949, Prot, in 
LTA RLP, und Schriftverkehr in LHA KO 860/4191. Zum Urteil über Boislambert s. Regie 
rungserklärung durch Ministerialrat Hermans im Landtag, 24. 8. 1949; Entwurf in LHA KO 
860/4163. 
69 Vermerk über Besprechung Müllers mit Mangoux, 1. 8. 1949; StA SIG Wü 180/454. 
76 Vermerk des Arbeitsministeriums an Staatskanzlei Württemberg-Hohenzollern für Bespre 
chung mit Schuman, 20. 8. 1949, StA SIG Wü 2/4 D. 2, sowie Notiz für Empfang Wohiebs 
bei Franijois-Poncet, 18.8. 1949, in StA FR A 2/8501. In Baden war der Veto-Brief der 
Militärregierung zwar bereits geschrieben (AdO Colmar Bade 2414/7), doch noch nicht 
abgesandt, als die neuen Instruktionen Francois-Poncets eingingen. 
71 Daty an Wohieb, 5. 9. 1949, StA FR A 2/8501; Boislambert an Altmeier, 12. 9. 1949, LHA 
KO 860/4163 u. AdO Colmar RLP C. 899/3-43-3. Texte der Gesetze: GVB1. RLP 1949, 
S. 453-455; Bad. GVB1. 1949, S. 312-315; Reg. Bl. WH 1949, S. 319-322. 
77 Alle Länder beschlossen kurz darauf zusätzlich, Fürsorgeleistungen auf die Rentenerhöhun 
gen nicht anzurechnen; dies war wesentlich, weil die Renten bislang oft unter den Fürsorge 
leistungen gelegen hatten und so vielfach durch Verringerung der Fürsorgelast die Gemein 
den, aber nicht die Rentner von den Rentenerhöhungen profitiert hätten. Teilweise gingen 
diese Bestimmungen schon ein in die Überleitungsgesetze für die Bundesgesetzgebung. 
Vorgänge in StA FR A 2/8501, AdO Colmar RLPC. 899/3-43-4, LTA RLP II 1219. 
73 Bericht des Speyrer Kreisdelegierten (4. 8. 1949) über eine Besprechung von Altmeier, Fi 
nanzminister Hoffmann und Arbeitsminister Bökenkrüger, die sich am 3. 8. über die Finanz 
lage der LVA in Speyer informierten; dem Vermerk zufolge war Altmeier die Finanzlage 
nicht bekannt gewesen. AdO Colmar RLP C. 899/3-43-3. 
74 Auszug aus Ministerratsprotokoll, 14. 7. 1949; LHA KO 860/4163.
	        
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