Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

357 
Realisierung der Trizone, und in dem Maße, in dem Aufgaben auf den Bund über 
gingen, verringerten sich auch die französischen Einflußmöglichkeiten. Hier zeigt 
sich, daß neben Finanzierungsbedenken einerseits und sozialpolitischen Grundli 
nien andererseits der allgemeinpolitische Faktor als drittes zu den Inkohärenzen in 
der französischen Politik beitrug: Das Dezentralisierungsprinzip in der Deutsch 
landpolitik, gerade auf sozialpolitischem Gebiet seit 1945 nicht zu realisieren und 
ständig durchbrochen, erhielt hier noch einmal eine quer zur Sozialpolitik laufende 
politische Wirkung. Doch war es der Schwanengesang: Nachdem die Westalliierten 
im Grundgesetz eine erhebliche Beschneidung der Bundeskompetenzen zugunsten 
der Länder durchgesetzt hatten, standen die Franzosen auf denjenigen Gebieten, auf 
denen das Grundgesetz eine Zentralisierung zuließ oder gebot, auf verlorenem Po 
sten. Dazu gehörte die Sozialpolitik. 
Dies zeigte sich bereits auf der internen interalliierten Ebene. General Koenig hatte 
bei seinen bizonalen Kollegen beantragt, das SV AG vor der Genehmigung noch 
einmal gemeinsam zu beraten, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen: Nach 
dem der Wirtschaftsrat die Auflagen des BICO vor allem hinsichtlich des Ausschlus 
ses der Kriegswitwen von der Angleichung der Arbeiter- an die Angestelltenversi 
cherung akzeptiert hatte, wurde sein Gesetz im Juli genehmigt, ohne daß die Franzo 
sen auf höchster Ebene noch einmal gehört worden wären. Damit hatte Baden-Ba 
den den erhofften Rückhalt in Frankfurt verloren und war isoliert. Auf der Ebene 
der zuständigen französischen Ressortleiter führte diese Politik der Briten und Ame 
rikaner zunächst aber nicht zu einem Einsehen, sondern zu starker Verärgerung und 
einer Verhärtung der Position: Baden-Baden beschloß jetzt ein allgemeines Veto für 
seine Zone; 65 die deutschlandpolitische Linie eines extremen Förderalismus setzte 
sich im internen französischen Entscheidungsprozeß damit noch einmal durch. 
Reale Chancen hatte dies jedoch nicht mehr. 
Der allgemeine Protest, der auf die Nachricht von dem französischen Veto von allen 
Seiten auf die deutschen und französischen Verwaltungen niederging, 66 erhielt durch 
die Genehmigung des Bizonengesetzes Rückhalt. In seiner Reaktion auf Boislam 
berts Veto nutzte Altmeier die veränderte Situation sofort; er bestand auf der Geneh 
migung des Gesetzes, wies den Gouverneur auf die ohnehin zu erwartende Bundes 
kompetenz in der Frage hin und drohte mit der politischen Reaktion der deutschen 
Bevölkerung, die meine, daß die Militärregierung den sozialen Standard ihrer Zone 
wegen der Besatzungskosten unter den des übrigen Deutschland drücken wolle. 67 
Damit hatte er den richtigen Punkt getroffen. Als der Landtag gleichfalls eine Pro 
testerklärung verabschiedete, wurde auch der deutschen Verwaltung deutlich, daß 
Protokollauszüge von Sitzungen der Justiz-, Finanz- und Arbeitsoffiziere im Rahmen des 
Comite Juridique, Baden-Baden 21.7.1949 (AdO Colmar RLP C. 899/3-43-3) sowie 
9.8. 1949 (ebd. Bade 2414/7). 
Vgl. z. B. einen durch den AGB am 2. 8. 1949 Altmeier zugeleiteten Protest Ludwigshafener 
Sozialrentner in LH A KO 860/4163, sowie weitere Materialien in den zitierten Sachakten. 
Auszug aus Ministerratsprotokoll, 3.8. 1949, sowie Altmeier an Boislambert, 3.8. 1949; 
LHAKO 860/4163.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.