Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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Auch diese Bestimmung entsprach einer langfristigen Tendenz der Sozialversiche 
rungsentwicklung.” Schließlich griff der Bebenhausener Landtag, abweichend von 
Baden und Rheinland-Pfalz, der späteren Bundesregelung insofern entscheidend 
vor, als er gegen den Protest von SPD und KPD, entsprechend der Neuverteilung der 
Beitragslast, die bisherige Zwei-Drittel-Mehrheit der Versicherten in der Kranken- 
kassen-Selbstverwaltung auf eine Parität mit der Arbeitgeberschaft reduzierte, wie 
sie der Wirtschaftsrat in seinem zuvor angenommenen, jedoch vom BICO nicht 
genehmigten Selbstverwaltungsgesetz festgelegt hatte. 54 
Politisch waren nur wenige Teile der Bebenhausener und Freiburger Gesetze um 
stritten. Wie in Rheinland-Pfalz, so bestand auch in Baden und Württemberg-Ho- 
henzollern unter allen Parteien Einigkeit über die Erhöhung der Renten. 55 * Unter 
schiede zeichneten sich allerdings bei den strukturellen Teilen ab. In Baden wandten 
sich ebenso Vertreter der Industrie” wie die Sprecher der FDP 57 gegen diese Bestim 
mungen; beide waren der Ansicht, daß die strukturellen Verbesserungen aus Lan 
desmitteln nicht zu finanzieren seien, worin ihnen der badische Finanzminister 
zustimmte. In Bebenhausen trat die FDP dagegen von vornherein auch für die 
Angleichung der Arbeiter- an die Angestelltenversicherung ein. Auf einhelligen 
Protest traf in Freiburg die durch die Bizonen-Militärregierungen erzwungene Härte, 
die Gleichstellung der Witwen nur für neu eintretende Versicherungsfälle vollstän 
dig vorzunehmen; 58 die Auflage zu übergehen wagte der Landtag allerdings nicht, 
aus Furcht, die Genehmigung des ganzen Gesetzes damit in Frage zu stellen. Der 
energischste Versuch, die im Bizonen-Gesetz enthaltenen Verschlechterungen für die 
Arbeitnehmerseite zu verhindern, kam von der KPD-Fraktion in Bebenhausen, die 
in einer Vielzahl von Anträgen unter anderem die Beitragsparität für Arbeitgeber 
und Arbeitnehmer, die Herabsetzung der Pflichtversicherungsgrenze und die Ver 
schlechterung der Versichertenvertretung in der Krankenkassen-Selbstverwaltung 
sowie die Zersplitterung der Kassenverbände kritisierte und zusätzlich die Abschaf 
fung der Krankenscheingebühr 59 forderte - in sämtlichen Punkten, obwohl von der 
SPD teilweise unterstützt, ohne Erfolg. 
“ Entsprechende Erleichterungen - nicht über Beitragsklassen, sondern im wesentlichen über 
pauschalen Ansatz von Einheitsbeiträgen auf der Höhe der Durchschnittsbeiträge aller 
Versicherten - enthielt auch das 1962 in Kraft getretene neue Handwerkerversorgungsgesetz; 
vgl. Übersicht über die soziale Sicherung, 1977, S. 127 ff. 
51 Vgl. dazu oben S. 305 f. und unten S. 381 f. 
55 S. im einzelnen: Verh. Bad. LT, 12.7.1949, S. 15 ff., u. Verh. LT WH, 24.6.1949, 
S. 1170-1185. 
Arbeitsgemeinschaft industrieller Fachvereinigungen in Südbaden, Gedanken und Anregun 
gen zu dem Entwurf eines Landesgesetzes über Änderung der Sozialversicherung (Sozialversi 
cherungs-Anpassungsgesetz), 12. 7. 1949, mehrfach in den Sachakten (Anm. 47); die Eingabe 
wurde vor der Plenardebatte an alle Abgeordneten verteilt und von der Landes-Militärregie- 
rung auch nach Baden-Baden weitergeleitet. 
Verh. Bad. LT, 12. 7. 1949, Bericht über gemeinsame Sitzung des Sozial- und Haushaltsaus 
schusses am 6. 7. 1949, u. Abg. Teutsch, ebd. S. 20. 
Entschließung des Badischen Landtags auf Antrag der CDU; Verh. Bad. LT, 12.7. 1949, 
S. 18. 
Verh. LT WH, Beil. 226. Anträge gesammelt in StA SIG Wü 1/45.
	        
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