Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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rechnete. In diesem Fall hätte Baden-Baden entweder den Konflikt ohnehin vermie 
den, wenn die Südwestländer den Frankfurter Texten freiwillig folgten, oder aber 
eine Korrektur der kritisierten Punkte unter Hinweis auf die BICO-Stellungnahme 
auch in der französischen Zone verlangen können, ohne selbst voll in die politische 
Schußlinie zu geraten. Unter den drei Ländern der Zone folgte jedoch nur Rhein 
land-Pfalz weitgehend der Militärregierungsforderung. 
Die Finanziellen Sorgen der Militärregierung wurden von deutscher Seite sowohl in 
den Finanz- wie in den Arbeitsministerien geteilt. Angesichts der lebhaften öffentli 
chen Debatte über die angekündigten Rentenerhöhungen wollten die Landesregie 
rungen andererseits nicht riskieren, hinter der Bizone zurückzustehen. Es ergab sich 
erneut die seit 1945 beobachtete Konstellation, daß die politischen Frontlinien nicht 
dem Gegensatz zwischen Militärregierung und deutschen Kräften entsprachen, son 
dern quer dazu verliefen. In der Öffentlichkeit war dies allerdings wiederum nur 
andeutungsweise zu erkennen. Obwohl eine Deckung nicht bestand, 35 leitete die 
Koblenzer Regierung dem Landtag einen eng an den Wortlaut des Wirtschaftsrats 
textes angelehnten Entwurf zu. 36 Der Landtag änderte entsprechend der Militärre 
gierungsforderung in seinen Ausschüssen noch die letzten Abweichungen vom Bizo- 
nengesetz und behielt angesichts der Finanzschwierigkeiten nur einen Unterschied 
bei: Die Rentenbeiträge wurden nicht mit 10%, sondern mit 11,5% angesetzt. Durch 
Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung blieb die Gesamtlast von 21,5% 
zwar gleich hoch, doch verschob sich ihre Verteilung um einen guten halben Prozent 
punkt zuungunsten der Arbeitgeber, da diese - abweichend von der Parität in der 
Bizone - wie seit 1946 in der französischen Zone weiterhin zwei Drittel der Renten 
beiträge zu tragen hatten; die Landtagsmehrheit vertrat damit nach wie vor die 
Grundtendenz der Sozialpolitik im Südwesten, die Arbeitgeber relativ stärker zu 
belasten, eine Tendenz, gegen die vor allem die FDP Bedenken erhob und die in 
Teilen der Presse kritisiert wurde. 37 Gegen die Forderung der FDP, die strukturellen 
Verbesserungen zu streichen, wandten sich in scharfen Formulierungen im Land 
tagsplenum nicht nur Vertreter von KPD und SPD, sondern besonders auch der 
CDU (Wolters: Degradierung der Arbeiter).** Bei Stimmenthaltung von Teilen der 
Auszug aus Ministerratsprotokoll, 19. 5. 1949; LHA KO 860/4163. 
“ LT RLP Dr. II 1022, 27.5. 1949; Schriftverkehr dazu in LTA RLP II 1022, LHA KO 
860/4163 u. AdO Colmar RLPC. 899/3-43-3. 
Vgl. Auszüge aus Rheinischer Merkur, 28.5. 1949, u. Rhein-Zeitung, 11.6. 1949, in den 
Akten der Militärregierung (ebd. 3-43-3), die aus diesen innerdeutschen Differenzen Hoff 
nung auf eine Verschleppung des Gesetzes schöpfte. Zu den Finanzdiskussionen s. Sozialpo- 
lit. Ausschuß 17. 5. u. 30. 5. 1949, und Stellungnahme des Finanzministers (wie Anm. 24); 
Protokolle in LTA RLP. Plenardebatte 1.6. 1949, Sten. Prot,,S. 1559-1576, hier bes. S. 1562 f. 
(Abg. Steger, FDP). 
M Sten. Prot., S. 1565 f.
	        
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