Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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Grundsätzlich bemühte der Südwesten sich auf verschiedenen Gebieten zu dieser 
Zeit um eine möglichst weitgehende Koordination von Planung und Gesetz 
gebung in französischer Zone und Bizone. Vertreter der französischen Zone 
waren an den bizonalen Beratungen im Vorfeld des SVAG daher auch von Anfang 
an beteiligt, und in allen Verwaltungen der französischen Zone dienten die Wirt 
schaftsratsentwürfe als Grundlage für die eigenen Arbeiten. Bereits während der 
Wirtschaftsratsdebatten im Dezember 1948 zeigten sich dabei sowohl das Bemühen 
um eine Angleichung als auch die Vorbehalte der Länder des Südwestens, die sich 
1949 in der Ausgestaltung ihrer eigenen Sozialversicherungsanpassungsgesetze nie- 
derschlagen sollten.® Auch die französische Militärregierung war von vornherein 
über die Vorgänge im Wirtschaftsrat und über die öffentliche und innerparteiliche 
Diskussion in der Bizone genau informiert und auf interalliierter Ebene daran betei 
ligt. 6 7 Das BICO, das Anfang März 1949 die Wirtschaftsratsplanungen zunächst mit 
der diplomatischen Forderung nach genaueren Auswirkungsberechnungen brem 
ste, 8 hatte die gleichen Punkte zu kritisieren wie die Franzosen und wie wesentliche 
Teile der deutschen Verwaltungen: Über die Notwendigkeit einer Rentenerhöhung 
waren sich die sozialpolitischen Experten aller drei Westmächte einig; doch die 
strukturellen Maßnahmen der Angleichung der Invaliditätsbedingungen, der Zutei 
lung von Witwenrenten ohne Vorbedingung und der Erhöhung der Witwenabfin 
dung bei Wiederverheiratung erschienen ihnen als nicht finanzierbar. 9 
Diese intern gegenüber den anderen Alliierten geäußerte französische Position war 
insofern widersprüchlich, als gerade die strukturellen Elemente des SVAG der 
Grundlinie der französischen Sozialpolitik in der Zone entsprachen. Hier kamen 
noch einmal typische Interessen- und Zielkonflikte innerhalb des französischen 
Apparates zur Wirkung, wie sie seit 1945 in verschiedenem Zusammenhang immer 
wieder zu beobachten waren. Eine Konfliktebene betraf den Widerspruch zwischen 
Konzeptionen und Finanzlage: Teile des Militärregierungsapparates begrüßten aus 
drücklich auch die strukturellen Elemente des SVAG als der Besatzungspolitik 
entsprechend, doch im Zeichen der allgemein leeren Kassen nach der Währungs 
reform wurde andererseits die Finanzierungsproblematik zum Haupthindernis; al 
lerdings sollte sich erweisen, daß in diesem Punkt die französischen Warnungen 
sachlich berechtigt waren - er wurde zum Anlaß für das Bundesarbeitsministerium, 
6 Vgl. z. B. einen badischen Bericht über die Besprechung der Finanz- und Sozialversiche 
rungsreferenten der Länder beim Länderrat des VWG in Frankfurt am 9./10. 12. 1948, in 
Vorbereitung der 2. und 3. Lesung des SVAG im Wirtschaftsrat am 17. 12. 1948; StA FRA 7 
(1981/27)4021. 
’ Vgl. u. a. eine breite Materialsammlung, teilweise durch die französische Verbindungsstelle 
beim BICO in Frankfurt geliefert, in AdO Colmar RLPC. 899/3-43-1, sowie die Gesetzesbe 
gründung durch Landtagpräsident und CDU-Sprecher Wolters, Sten. Prot. LT RLP, 
1.6. 1949, S. 1562. 
8 Hockerts, Entscheidungen, S. 101 f. 
9 Auszug aus Protokoll der Sitzung der alliierten Sozialversicherungsexperten in Frankfurt, 
10./11.2. 1949; AdO Colmar RLP C. 899/3-43-2. Die Einschätzung der Experten unter 
schied sich insofern, als der Franzose auch die neuen Rentensätze für zu hoch angesetzt 
hielt, während der Brite sie akzeptierte.
	        
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