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Wiederheirat wie bei Angestelltenwitwen von einer auf drei Jahresrenten heraufge
setzt.
Eine weitere grundlegende, in der französischen Zone seit 1946 über die Einheits
krankenkasse zu erheblichem Teil bereits durchgeführte Neuerung war die Ver
pflichtung der Krankenkassen, einen Finanzausgleich durchzuführen, zunächst in
nerhalb der Kassen einer Kassenart und, wenn dies nicht ausreiche, unter den
verschiedenen Kassenarten; auch damit hatte der Wirtschaftsrat implizit eine der
Hauptforderungen übernommen, mit denen in der französischen Zone gegen die
Wiederzulassung der Sonderkassen gekämpft wurde. Ähnliches galt für die Renten
versicherung, in der ein Ausgleich zwischen Angestellten- und Arbeiterversicherung
angeordnet werden konnte. Eine gerade in der französischen Zone hart umstrittene
nationalsozialistische Bestimmung, der zufolge die Arbeitslosenversicherung ihre
Überschußmittel teilweise der Rentenversicherung zur Verfügung stellen mußte
(§1385 RVO), wurde wieder aufgehoben, die finanzielle Unabhängigkeit der einzel
nen Sozialversicherungszweige also insofern wiederhergestellt und die zweckent
sprechende Verwendung der Arbeitslosenversicherungsgelder sichergestellt; für die
Landeshaushalte, die bei unzureichendem Finanzausgleichsvolumen jetzt für die
Defizite der Rentenversicherung aufzukommen hatten, konnte sich daraus allerdings
eine erhebliche Belastung ergeben.
Diese Tendenzen der Sozialversicherungsanpassungsgesetze, die in der Konsequenz
der langfristigen soziostrukturellen Entwicklung lagen und den sozialen Nivellierun
gen Rechnung trugen, wie „III. Reich“ und Krieg sie bewirkt hatten, behielten auf
Dauer Bestand und wurden in der weiteren Geschichte der Sozialversicherung zu
einer Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten in der Rentenversicherung
ausgebaut. Die Einheitsversicherungsdebatte der Nachkriegsjahre, in deren Mittel
punkt diese Arbeiter-Angestellten-Problematik stand, hatte das Problembewußtsein
hierfür immerhin so geschärft, daß trotz des Scheiterns der Organisationsform diese
inhaltlichen Ziele 1949 in wichtigen Teilbereichen vergleichsweise rasch politisch
durchgesetzt wurden.
In der Bizone traf das SVAG zunächst auf die scharfe Kritik der deutschen Finanz
minister und das Bipartite Control Office (BICO), die das Gesetz übereinstimmend
für finanziell nicht tragbar hielten. Während die Widerstände auf deutscher Seite
durch eine Koalition aus SPD und CDU im Wirtschaftsrat politisch überwunden
wurden, blockierte das BICO das Gesetz noch einige Wochen, bis es sich offenbar
dem deutschen politischen Druck im Vorfeld des Besatzungsstatuts beugte. 5 Die
Länder der französischen Zone versuchten, die ihnen bis zur Konstituierung des
Bundestages noch verbliebene sozialpolitische Gesetzgebungskompetenz dafür zu
nutzen, um noch einige charakteristische Korrekturen anzubringen.
Vgl. dazu Hockerts, Entscheidungen, S. 95 ff. Die Gründe für die schließliche Genehmi
gung durch das BICO gehen aus den Hockerts zugänglichen Unterlagen offenbar nicht
hervor. Die Franzosen erfuhren, daß die britische Militärregierung bei den Amerikanern die
Aufhebung des Vetos durchgesetzt habe (Protokoll des Comite Juridique, Baden-Baden,
21.7. 1949, in AdO Colmar C. 899/3-43); doch bleiben die Einzelheiten der anglo-amerika-
mschen Entscheidungsprozesse in der Schlußphase der Besatzungszeit noch genauer zu
klären.