18
führt werden. 41 Methodisch liegt hier andererseits ein Angelpunkt für die Beurtei
lung von Wirkungen und Fehlschlägen der Neuordnungsansätze der frühen Nach
kriegsjahre. Das Umfeld, in dem sich die Sozialpolitik der Schwarzmarktzeit entwik-
kelte, erweist sich als besonders ergiebig, um auch dem Problem des Verhältnisses
von Besatzungsmacht und Bevölkerung und der Frage nach den deutschen Reaktio
nen auf das „III. Reich“ von einer zunächst primär wirtschaftsgeschichtlichen Fra
gestellung her wenigstens einige Schritte näherzukommen. „Kollektive Erinnerung“
spiegelt als solche Erfahrensweisen und Mentalitäten wider, und sie bedarf gerade
dann einer Erklärung, wenn sie aus wissenschaftlicher Sicht Teilaspekte des Gesche
hens zu stark zu verallgemeinern scheint wie bei dem allgemeinen Bild von der
französischen Besatzungsherrschaft.
Je nach Forschungsstand und je nach Problemstruktur muß die Arbeit über das
engere Feld der französischen Zone daher mehr oder weniger weit ausgreifen auf die
Traditionen deutscher und französischer Sozialpolitik, auf die internationalen Kräf
tekonstellationen und auf die ähnlichen oder aber im Kontrast dazu stehenden
Entwicklungen in den anderen Besatzungszonen und der frühen Bundesrepublik.
Nur im Vergleich kann Inhalt und Bedeutung der Entwicklung im Südwesten nach
1945 erfaßt werden. Diachronisch kann, obgleich Sozialpolitik ein Thema der Innen
politik ist, die Untersuchung auch nicht auf die eigentlichen Besatzungsjahre 1945
bis 1949 begrenzt werden, wenngleich der Schwerpunkt auf der in diesen Jahren
erfolgten Ausarbeitung der Sozialpolitik liegt. Der Übergang der sozialpolitischen
Entscheidungen auf den Bund erfolgte nicht mit der Verabschiedung des Grundge
setzes und dem Erlaß des Besatzungsstatutes, sondern bildete einen jahrelangen
Prozeß. In einigen Bereichen kam er rasch zum Abschluß, so in der Frage der
Beitragsstruktur der Rentenversicherung 1950; hier erscheinen einige sozialpoliti
sche Vorgänge auch charakteristisch für die Grundmuster der Eingliederung des
Südwestens in die Bundesrepublik und für die dabei auftretenden Fronten und
Probleme. Auf anderen Gebieten dauerten die Sonderentwicklungen, in denen der
Südwesten den übrigen Zonen seit 1945/47 sachlich vielfach voraus war, jedoch bis
in die fünfziger Jahre. Für die Themen der vorliegenden Arbeit war diese Sonderrol
le mit dem Jahr 1953 im wesentlichen abgeschlossen; mit den Sozialwahlen in der
Sozialversicherung, mit der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes, der
Schwerbeschädigtengesetzgebung, der Wiedererrichtung von Versorgungsgerichten
und der Konsolidierung der Kriegsopferverbände 1950/55. Die direkte Wirkung der
Entscheidungen der Besatzungszeit reichte insofern noch weit in die Gründungsjah
re der Bundesrepublik hinein und in einzelnen Bereichen auch über die Gründung
des Landes Baden-Württemberg hinaus, welche auf politischer Ebene die Entwick
lungen der Besatzungszeit im Südwesten im wesentlichen abschloß.
41 Sie ist ausgegangen von den Arbeiten von Manz sowie Abf.lshauser, Wirtschaft in West
deutschland.