Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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führt werden. 41 Methodisch liegt hier andererseits ein Angelpunkt für die Beurtei 
lung von Wirkungen und Fehlschlägen der Neuordnungsansätze der frühen Nach 
kriegsjahre. Das Umfeld, in dem sich die Sozialpolitik der Schwarzmarktzeit entwik- 
kelte, erweist sich als besonders ergiebig, um auch dem Problem des Verhältnisses 
von Besatzungsmacht und Bevölkerung und der Frage nach den deutschen Reaktio 
nen auf das „III. Reich“ von einer zunächst primär wirtschaftsgeschichtlichen Fra 
gestellung her wenigstens einige Schritte näherzukommen. „Kollektive Erinnerung“ 
spiegelt als solche Erfahrensweisen und Mentalitäten wider, und sie bedarf gerade 
dann einer Erklärung, wenn sie aus wissenschaftlicher Sicht Teilaspekte des Gesche 
hens zu stark zu verallgemeinern scheint wie bei dem allgemeinen Bild von der 
französischen Besatzungsherrschaft. 
Je nach Forschungsstand und je nach Problemstruktur muß die Arbeit über das 
engere Feld der französischen Zone daher mehr oder weniger weit ausgreifen auf die 
Traditionen deutscher und französischer Sozialpolitik, auf die internationalen Kräf 
tekonstellationen und auf die ähnlichen oder aber im Kontrast dazu stehenden 
Entwicklungen in den anderen Besatzungszonen und der frühen Bundesrepublik. 
Nur im Vergleich kann Inhalt und Bedeutung der Entwicklung im Südwesten nach 
1945 erfaßt werden. Diachronisch kann, obgleich Sozialpolitik ein Thema der Innen 
politik ist, die Untersuchung auch nicht auf die eigentlichen Besatzungsjahre 1945 
bis 1949 begrenzt werden, wenngleich der Schwerpunkt auf der in diesen Jahren 
erfolgten Ausarbeitung der Sozialpolitik liegt. Der Übergang der sozialpolitischen 
Entscheidungen auf den Bund erfolgte nicht mit der Verabschiedung des Grundge 
setzes und dem Erlaß des Besatzungsstatutes, sondern bildete einen jahrelangen 
Prozeß. In einigen Bereichen kam er rasch zum Abschluß, so in der Frage der 
Beitragsstruktur der Rentenversicherung 1950; hier erscheinen einige sozialpoliti 
sche Vorgänge auch charakteristisch für die Grundmuster der Eingliederung des 
Südwestens in die Bundesrepublik und für die dabei auftretenden Fronten und 
Probleme. Auf anderen Gebieten dauerten die Sonderentwicklungen, in denen der 
Südwesten den übrigen Zonen seit 1945/47 sachlich vielfach voraus war, jedoch bis 
in die fünfziger Jahre. Für die Themen der vorliegenden Arbeit war diese Sonderrol 
le mit dem Jahr 1953 im wesentlichen abgeschlossen; mit den Sozialwahlen in der 
Sozialversicherung, mit der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes, der 
Schwerbeschädigtengesetzgebung, der Wiedererrichtung von Versorgungsgerichten 
und der Konsolidierung der Kriegsopferverbände 1950/55. Die direkte Wirkung der 
Entscheidungen der Besatzungszeit reichte insofern noch weit in die Gründungsjah 
re der Bundesrepublik hinein und in einzelnen Bereichen auch über die Gründung 
des Landes Baden-Württemberg hinaus, welche auf politischer Ebene die Entwick 
lungen der Besatzungszeit im Südwesten im wesentlichen abschloß. 
41 Sie ist ausgegangen von den Arbeiten von Manz sowie Abf.lshauser, Wirtschaft in West 
deutschland.
	        
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