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gegen eine alle Versicherungszweige erfassende Einheitsversicherung, welche das
Ende der Unabhängigkeit der Krankenkassen bedeutet hätte. 10
Auf besondere Kritik trafen die Kontrollratspläne, die Beamtenschaft in die Sozial
versicherung einzubeziehen. Nicht nur Beamtenverbände, 11 sondern auch weite Tei
le der Ministerialbürokratie lehnten dies ab, 12 wenngleich einzelne Ressorts wie die
badische Direktion Arbeit dabei in Konflikt mit ihrer Forderung nach einer allge
meinen Volksversicherung gerieten. 13
Der Kontrollratsentwurf wirkte sich insofern nun eher hemmend auf die politische
Diskussion in der französischen Zone aus, als die deutschen Stellen vielfach den
Eindruck hatten, auf die Reform ohnehin keinen Einfluß nehmen zu können, ange
sichts der erwarteten raschen Entscheidung in Berlin eigene Planungen aber auch
immer wieder zurückstellten. 14 Eine Ausnahme bildeten einige Teilbereiche wie der
Wiederaufbau der Selbstverwaltung, der mit dem Argument vorangetrieben wurde,
er präjudiziere eine Gesamtlösung nicht. Umgekehrt bewirkte die subjektive Ein
schätzung der politischen Lage von deutscher Seite aber nach dem Scheitern der
Kontrollratsplanungen im Frühjahr 1948, daß nun die Diskussion wieder verstärkt
anlief.
Der Ortskrankenkassenverband, ein Teil der Gewerkschaften und der SPD sowie ein
Teil der deutschen und der französischen Arbeitsverwaltung blieben 1948/49 die
aktivsten Verfechter der 1946 getroffenen Lösung.
Die Ortskrankenkassen waren von der Frage existentiell am unmittelbarsten
betroffen. In einer Denkschrift, die allen Abgeordneten der französischen Zone und
den zuständigen staatlichen Stellen Ende Januar 1949 zuging, faßte der Verbands
vorstand seine Argumentation zusammen. 15 Kritik am System der Einheitskranken
versicherung, wie es seit 1946 in der französischen Zone bestand, sah er durchweg in
Partikularinteressen bestimmter Gruppen, in verbandsegoistischen Motiven, nicht je
doch in sachlichen Argumenten begründet. Das gegliederte System sei nur historisch
10 Geschäftsführer Kattler an Badisches Arbeitsministerium, 25. 10. 1946: Stellungnahme zum
Kontrollratsentwurf vom 20. 9. 1946; VdO Lahr Altreg. Az. 103.
So am 14. 7. 1947 der Hauptverband der Lehrkräfte an staatlichen gewerblichen, kaufmänni
schen, land- und hauswirtschaftlichen Lehranstalten des Landes Baden an Staatspräsident
Wohieb und Landtag; der Verband verwies darauf, daß der jahrhundertealte Berufsbeam
te... Deutschland mit hoch gebracht habe; StA FR A 2/8542 und Verh. Bad. LT 28. 11. 1947.
So mehrere Stellungnahmen des badischen Innen- und Finanzministeriums; StA FR A
2/8542.
Die Direktion Arbeit forderte daher, entweder diese Volksversicherung zu schaffen oder
aber das alte System beizubehalten, d. h. nicht einzelne Gruppen wie die Beamten isoliert in
die Sozialversicherung einzubeziehen; Memorandum zum Kontrollratsentwurf (wie Anm. 8)
sowie Direktion Arbeit an Staatskanzlei, 4. 3. 1948; StA FR A 2/8542.
Hinweise auf eine bevorstehende Kontrollratsentscheidung, die deutsche Sonderlösungen
hinfällig machen würde, finden sich in der Verwaltungskorrespondenz der Jahre 1946/47
häufig.
Die Denkschrift Um die Neuordnung der Krankenversicherung, im Begleitschreiben auf den
31.1. 1949 datiert, findet sich in den Akten des VdO Lahr, Altreg. Az. 103, in den meisten
Sachakten der Landtage und Ministerien sowie in den Akten der Militärregierung, AdO
Colmar Bade 2414/6.