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einschränkend, ob eine Neuregelung jetzt sinnvoll sei, da die auf diesem Wege
designierten Mitglieder zu Verteidigern eines Selbstverwaltungssystems werden
könnten, das mit der allgemeinen Kontrollratsreform in Kürze verschwinden solle. 5
Die Berufung auf die Kontrollratsplanungen zur Begründung einer Verschleppung
der Selbstverwaltungsfrage war jedoch auch in französischen Augen ein schlechtes
Argument. Schon die große Reform vom April 1946 hatte Baden-Baden mit dem
damaligen Diskussionsstand in Berlin abgestimmt. Die Selbstverwaltung in der Sozi
alversicherung war als Grundsatz seit der ersten offiziellen Formulierung von Re
formprinzipien im März 1946 auch im Kontrollrat nicht umstritten, 6 * wenngleich
Einzelheiten noch nicht feststanden. Ebenso wie im Frühjahr 1946, konnte man hier
also Maßnahmen ergreifen, ohne das Risiko einer Kollision mit den Kontrollratspla
nungen einzugehen.
Die Franzosen taten dies, die anderen Alliierten nicht. Inzwischen war auch das
Argument von Anfang 1946 entfallen, die Gewerkschaften seien noch nicht hinrei
chend reorganisiert: Seit dem Frühsommer 1946 war der Aufbau von Ortsverbänden
sowie von Landes-Industrieverbänden in vollem Gang. Unter Hinweis auf diesen
Organisationsgrad und auf die mittlerweile erfolgte Durchführung der Vereinheit
lichung der Krankenversicherung, welche einer früheren Wiederherstellung der
Selbstverwaltung entgegengestanden habe, forderte Generalverwalter Laffon die
Provinzgouverneure am 14. März 1947 auf, die deutschen Verwaltungen zur Vorlage
entsprechender Entwürfe zu veranlassen, conformes aux principes democratiques et ä
l'interet des travailleurs. 1 Allerdings sollten nur diejenigen Teile des Aufbaugesetzes
von 1934, die das „Führerprinzip“ verkörperten, aufgehoben werden; politisch un
bedenkliche Bestimmungen seien zu belassen, da kein Gesamteingriff in das Sozial
versicherungssystem erfolgen solle. Damit war, wie bei der Gesamtreform 1946, eine
Kollision mit dem Kontrollrat wieder umgangen: Die Anweisung bedeutete die
Wiederherstellung der Sozialwahlen, wie säe vor 1933 bestanden hatten. Die Militär
regierung ging mit dieser Aufforderung also weiter als die wenigen deutschen Stel
len, die zuvor auf die Wiederherstellung der Selbstverwaltung gedrungen hatten,
aber noch keine Wahlen durchführen wollten; auf Martzloffs Vorstoß wurde aus
drücklich Bezug genommen. Den deutschen Verwaltungen ging die Anweisung in
der zweiten März-Hälfte 1947 zu. 8
Andrez an Direction du Travail, Baden-Baden, 30. 1. 1947; ebd.
6 Vgl. oben S. 178.
Rundschreiben Laffon an Landesgouverneure, 14. 3. 1947; AdO Colmar Bade 2414/8.
Section Travail an Landesdirektion für Arbeit, Tübingen, 21.3. 1947; StA SIG Wü 180/637.
Monatsbericht des badischen Arbeitsoffiziers, 29. 3. 1947, AdO Colmar Bade 2402, und
Anweisung an Direktion Arbeit vom 31. 3. 1947, ebd. 2414/8. Service Travail an Arbeitsmi
nisterium Koblenz, 31. 3. 1947; AdO Colmar RLP C. 899/3-10-3 und LHA KO 930/4590.
Den deutschen Stellen wurden umfangreiche Auszüge aus Laffons Anweisung vom
14, 3. 1947 übermittelt; gestrichen wurde u. a. die Begründung, vor Durchsetzung der Ein
heitskrankenkasse sei die Wiederherstellung der Selbstverwaltung pas opportun gewesen.
Den Landes-Arbeitsoffizieren in Koblenz und Freiburg hatte Baden-Baden die Anweisung
bereits mit getrennten Schreiben am 6. 3. 1947 (jeweils ebd.) angekündigt. Vgl. auch VdO
Lahr Altreg. Az. 1210.