282
über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung,“ doch
waren für 1945 in dieser Frage keine zentralen Baden-Badener Anweisungen aufzu
finden. Die frühen Württemberger und Koblenzer Regelungen waren wohl auch
deshalb noch zustandegekommen, weil Baden-Baden mit den internen Organisa
tionsproblemen des eigenen Apparates beschäftigt war und den Landes-Militärre-
gierungen, wie bei der Reform in Hessen-Pfalz, einen breiten Entscheidungsspiel
raum ließ. Im Raum Koblenz konnten damit die gewerkschaftsfreundlichen Tenden
zen in der regionalen Militärregierung um General Billotte und Oberst Rol-Tanguy
besonders stark zur Wirkung kommen.
Die Vorschläge der badischen Arbeitsoffiziere trafen Anfang 1946 in Baden-Baden
aber zusammen mit der Ausarbeitung der allgemeinen Sozialversicherungsreform;
die Direction du Travail hatte sich seit November 1945 in die Materie eingearbeitet
und Konzeptionen entwickelt. Der stellvertretende Baden-Badener Arbeitsdirektor
Binaud beschied die badische Militärregierung unter Hinweis auf die laufenden
Planungen damit, daß vor der Wiederherstellung der Selbstverwaltung la consolida-
tion des organismes syndicaux abgewartet werden solle. * 36 Damit war die Grundlinie
der französischen Militärregierung bis Anfang 1947 abgesteckt: Baden-Baden
schloß sich dem auch in dem größeren Teil der amerikanischen Zone durchgesetzten
Standpunkt an, es seien nicht provisorische Lösungen, sondern allgemeine Sozial
wahlen anzustreben, diese aber aufzuschieben, bis die entsprechende politische
Infrastruktur wieder aufgebaut sei. Dies entsprach dem Kern der französischen
„Demokratisierungspolitik“: langsamer stufenweiser Aufbau demokratischer Insti
tutionen von kleinsten Einheiten aus.
Mit Verabschiedung der Reform vom April 1946 und dem Bekanntwerden der
Kontrollratsplanungen für eine umfassende Sozialversicherungsreform, die eine ge
samtdeutsche Regelung der Frage erwarten ließ, stockte die im Winter 1945/46
ansatzweise begonnene Debatte zunächst ohnehin. Einen neuen Versuch unternahm
im Spätsommer 1946 noch die badische Arbeitsverwaltung. 37 38 Gegen die Wie
derherstellung der Selbstverwaltung in der vor 1933 praktizierten Form wandte sich
hier zunächst die deutsche Seite, und zwar die Landesversicherungsanstalt Baden in
Karlsruhe. Sie hielt einen ehrenamtlichen Vorsitzenden des Vorstandes bei den
Krankenkassen für nicht hinreichend qualifiziert, um die vielfältigen Aufgaben zu
überblicken, und plädierte dafür, den Geschäftsführer, also den Verwaltungschef,
durch die Landesversicherungsanstalt als Vorsitzenden einzusetzen, wobei dem Vor
stand ein gewisses Anhörungsrecht bei der Ernennung einzuräumen wäre, wie dies
bisher beim Leiter durch den Beirat geschah.™ Die Selbstverwaltung in der Kranken
versicherung lag nicht im Interesse der Landesversicherungsanstalten, die auf eine
33 Wie oben Anm. 11.
36 Binaud an Service Travail Freiburg, 25. 1. 1946; AdO Colmar Bade 2414/8. Vgl. Vermerk
vom 15. 3. 1946 in VdO Lahr Altreg. Az. 1210.
31 Zusammenfassend Martzloff an MR Freiburg, 23. 1. 1947; AdO ebd.
38 Das Schreiben der LVA zitierte Martzloff in einem Brief an die Landesdirektion für Arbeit in
Tübingen, 4. 9. 1946; StA SIG Wü 180/637.