Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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politischer Überprüfung der Kandidaten im Laufe des Jahres 1946, so daß die 
Ausschüsse auch erst 1946 ihre Arbeit aufnehmen konnten. * 20 Weniger reibungslos 
verlief die Besetzung der Ausschüsse bei den Ortskrankenkassen. Dabei hatten 
insbesondere die Arbeitgeber Schwierigkeiten, genügend unbelastete, qualifizierte 
Kandidaten zu finden. 21 So zog die Besetzung dieser Ausschüsse sich hin bis zum 
August 1947, als sie durch die volle Wiederherstellung der Selbstverwaltung überholt 
zu werden begann. Bremsend haben hier, nach der Korrespondenz über die Kandi 
datenvorschläge zu urteilen, nicht die Stellen der Militärregierung gewirkt, sondern 
die Verbände der deutschen Sozialpartner, deren Interesse an der Wiedereinrichtung 
der Selbstverwaltung in Württemberg nicht immer lebhaft gewesen ist. Wenngleich 
der Eindruck des Fehlens politischer Auseinandersetzungen 1945/46 trügt, wie zu 
zeigen war, so kam hier doch das auch in anderen Bereichen zu beobachtende 
geringe Interesse an politischem Engagement im Nachkriegselend zum Ausdruck. 
Zugleich, und gewissermaßen gegenläufig, zeigte sich darin bereits die langfristige 
Tendenz zu einer Entpolitisierung der Sozialversicherungsselbstverwaltung, die 
nach Gründung der Bundesrepublik offensichtlich werden sollte. Immerhin nahmen 
die Ausschüsse jedenfalls für die auf der Ebene der LVA zu regelnden Fragen im 
Laufe des Jahres 1946 die Arbeit auf. 
In Baden meldeten sich Ende 1945 sowohl die Ersatzkassen als auch die Gewerk 
schaften zu Wort und forderten die Wiederherstellung der Selbstverwaltung. 22 * Die 
Freiburger Arbeitsoffiziere vertraten dies sowohl gegenüber dem eigenen Gouver 
neur 21 wie mit dessen Einverständnis gegenüber der Direction du Travail in Baden- 
Baden. 24 25 Anzustreben seien baldige allgemeine Sozialwahlen, um den Gewerkschaf 
ten ihre alte Rolle in der Sozialverwaltung wiederzugeben. Als Übergang solle man 
die Ausschüsse mit Vertretern besetzen, die aus den syndicalistes notoires des jeweili 
gen Kreises und aus den Mitgliedern der Handwerks- und Handelskammern auf 
Vorschlag des jeweiligen Versicherungsamtes vom Kreis-Arbeitsoffizier zu ernennen 
seien. 21 Bei einigen Krankenkassen wurden Ausschüsse schon 1945 auf diese Weise 
Im Ausschuß für die Abteilung Krankenversicherung vertrat lediglich Gengier die französi 
sche Zone. Zumindest einer seiner Stellvertreter im Rentenversicherungsausschuß, der Lei 
ter der AOK Hechingen und spätere Landtagsabgeordnete Franz Dreher, kam gleichfalls aus 
der christlichen Gewerkschaftsbewegung. Die Arbeitnehmervertreter waren vom Württem- 
bergischen Gewerkschaftsbund benannt worden; vgl. LVA Württemberg an Landesdirektion 
für Arbeit, 21. 6. 1946, StA SIG Wü 180/466. 
20 Vgl. für die Angestelltenversicherung Tätigkeitsbericht der Landesdirektion für Arbeit, 
Mai 1946, S. 6; StA SIG WÜ 180/394. 
21 Mehrere Absagen in StA SIG Wü 180/466. 
22 Vgl. mehrere Eingaben an die Freiburger Militärregierung und an die Baden-Badener Direc 
tion du Travail in AdO Colmar Bade 2414/6. 
21 Arbeitsoffizier des Kreises Freiburg, Rolland, an Delegue Superieur, 2. 1. 1946; AdO Col 
mar Bade 2414/8. 
24 Andrezan DTRA, 16. 1. 1946;ebd. 
25 Rolland schlug dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Arbeitnehmer vor. Der Verband 
Badischer Ortskrankenkassen teilte den Mitgliedskassen diese Lösung bereits am 
17. 12. 1945 (Rundschreiben 2/1945) als zu erwartende Regelung mit; mit der Einberufung 
von Kassenorganen sei bis zu offizieller Mitteilung zu warten. Vgl. auch VdO an Andrez, 
20. 12. 1945; VdO Lahr Altreg. Az. 1210.
	        
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